Achtung, kreuzende Kamele!

Der etwas andere Artikel zum Thema Wildwechsel.

 

15.11.2016

Wenn es draußen kalt und diesig ist und es sogar tagsüber gar nicht richtig hell werden will, häufen sich die Wildunfälle und mit ihnen entsprechende Ratgeberartikel. Wir schauen mal mit einem Augenzwinkern über die eigene Motorhaube hinaus.

Mehr als 200.000 Wildunfälle passieren laut Statistischem Bundesamt in Deutschland jedes Jahr. Das in unseren Gefilden beheimatete Reh beispielsweise ist dämmerungsaktiv und in der kalten Jahreszeit häufig genau dann unterwegs, wenn wir es auch sind. Auf der Suche nach Nahrung oder auf dem Rückweg zum Unterschlupf kreuzen die Tiere vor allem im Bereich von Wäldern, Wiesen oder Feldern die Fahrbahnen. Die Geschwindigkeit von herannahenden Fahrzeugen können die Tiere nicht abschätzen. Selbst wenn sie ein Auto wahrgenommen haben, bedeutet dies nicht, dass sie am Straßenrand warten, bis es vorbei gefahren ist. Ganz anders verhält es sich da mit folgender Spezies, die Forscher 2015 beim „Wildwechsel“ beobachtet haben. Viel Spaß mit unserer kleinen Reise um die Welt in Sachen „Wildwechsel“.

Uganda

Im Kibale Nationalpark in Uganda gibt es Schimpansen, die den eben erwähnten Paarhufern in puncto Gefahrenbewusstsein um einiges voraus sind. Ihre Heimat ist durchzogen mit zahlreichen stark befahrenen Highways – eine Folge des fortschreitenden Straßenbaus in Afrika. Doch wie es aussieht, sind die Primaten mit der Straßeninfrastruktur bereits bestens vertraut. Bevor diese nämlich zum Wechseln der Straßenseite ansetzen, schauen sie ordnungsgemäß nach links und rechts und huschen dann erst zügig über die Fahrbahn.

Indien

Elefanten sind in dieser Hinsicht weniger einsichtig. Auch in Indien beeinträchtigen die wachsenden Straßennetze den Lebensraum wilder Tiere. Oft kreuzen Fahrbahnen die traditionellen Wege der mehr als 26.000 wild lebenden Elefanten. Wie unser heimisches Wild sind übrigens auch die Dickhäuter dämmerungs- und nachtaktiv. An der Grenze zum Rajaij Nationalpark im Norden des Landes gibt es eine Bundesstraße, die jede Nacht regelrecht von Elefanten in Beschlag genommen wird. Zudem sind die Tiere durch den häufigen Nebel in der Region für Autofahrer schwer zu erkennen. Nachdem es zu mehreren Attacken auf Fahrzeuge und deren Insassen kam, entschieden die Behörden 2012 die Straße nachts zu sperren.

Wales

Verkehrsbeeinträchtigungen animalischen Ausmaßes kennt man auch in Wales. Dort leben rund drei Millionen Menschen – und drei Mal so viele Schafe. Manch einen Autofahrer haben die Tiere, die gerne mal in großen Herden auf der Fahrbahn herumstehen, schon auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Ein besonders dickes Fell mussten jedoch im Mai 2016 die Bewohner des Örtchen Rhydypandy beweisen. Dort hatte eine Gruppe vernebelter Schafe eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Nein, Witterungsbedingungen spielten hierbei keine Rolle. Medienberichten zufolge hatten die Schafe Cannabispflanzen gefressen. Die Folge: blockierte Straßen, zerstörte Gärten und ein Einbruch in ein Schlafzimmer.

Österreich

Dass Fahren oder gar Fliegen unter Drogeneinfluss überhaupt keine gute Idee ist, musste im Oktober 2016 auch eine Schar Stare auf der A2 in Österreich erfahren. Die Vögel hatten große Mengen vergorener Beeren gefressen. Völlig betrunken haben sie ihre Koordinationsfähigkeiten eingebüßt und stürzten auf die Fahrbahn. Kilometerlange Staus waren die Folge.

Ecuador

Die Orientierung verloren hatte wohl auch das ecuadorianische Faultier, das im Januar 2016 eine Berühmtheit im Netz wurde. Verängstigt hatte es sich mit seinen langen Klauen, die normalerweise dazu dienen, entspannt an einem Ast zu baumeln, an eine Leitplanke geklammert. Ein Polizist kam dem Tier zu Hilfe und postete einen herzzerreißenden Schnappschuss in sozialen Netzwerken.

Saudi-Arabien

Einen Social Media-Hit landete auch ein Kamelfarmer in Saudi-Arabien, der im August 2016 auf eine besonders clevere Idee kam. Unfälle mit streunenden Kamelen stehen in dem Königreich beinahe auf der Tagesordnung. Die Tiere laufen nachts gern umher und sind auf den teils unbeleuchteten Straßen schwer zu erkennen. Einer Studie zufolge sind Kamele sogar in 97 Prozent aller Verkehrsunfälle in Saudi-Arabien verwickelt. Der Saudi Nashi Al Mehmadi knüpfte seinen Schützlingen daher fluoreszierende Bänder um Hals und Gelenke, damit Autofahrer sie bereits aus der Ferne wahrnehmen und das Tempo drosseln können. Das Netz reagierte begeistert auf seine Idee und rief sogleich alle Kamelfarmer auf, es Al Mehmadi gleich zu tun.

In Deutschland begegnen uns Elefant, Kamel und Co. natürlich eher selten auf der Straße. Und falls doch, empfiehlt sich ein Anruf bei der Polizei . Was man hingegen tun kann, wenn man einem Reh oder Wildschwein auf der Straße begegnet, haben u.a. der DVR und der TÜV Nord zusammengefasst. Die wichtigsten Tipps im Überblick:

Wildunfall! Was tun?

 

● Wenn ein Tier am Straßenrand auftaucht oder in einiger Entfernung auf der Fahrbahn steht, unbedingt abblenden und das Tempo drosseln oder – wenn die Verkehrslage es zulässt – anhalten. Kurzes, kräftiges Hupen kann helfen, Reh und Co. zu verscheuchen. Doch Achtung, weitere Wildtiere können folgen.

 

● Ist es bereits zu spät und das Tier schon unmittelbar vor dem Fahrzeug: möglichst stark abbremsen, aber nicht unkontrolliert ausweichen! Das Lenkrad gut festhalten. Droht hingegen ein Auffahrunfall mit nachfolgenden Fahrzeugen, ist ein kontrollierter Wildunfall das kleinere Übel.

 

● Wenn sich der Zusammenstoß nicht vermeiden lassen konnte: Warnblinkanlage einschalten und die Unfallstelle absichern. Zudem immer die Polizei und die zuständige Forstdienststelle informieren. Auch wenn das Wild verletzt fliehen konnte!

 

● Liegt das Tier verletzt auf der Straße: nicht anfassen! Insbesondere Wildschweine können sehr aggressiv werden. Nur wenn das Wild sicher tot ist, kann es mit Handschuhen o.ä. von der Fahrbahn entfernt werden, damit andere Verkehrsteilnehmer nicht unnötig gefährdet werden. Dabei den Straßenverkehr beachten, so dass kein Risiko für die eigene Gesundheit entsteht. Dann abwarten, bis Polizei oder Jäger an der Unfallstelle eintreffen.

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