Alles andere als gewöhnlich

Ob singende Straße oder auf einmal unter Wasser – weltweit gibt es außergewöhnliche Straßen. Wo die Autofahrt unerwartete Momente bereit hält.

 

20.04.2021

Autos rollen einen Berg hinauf, eine Schnellstraße spielt ein Lied oder die Straße steht plötzlich unter Wasser. Auf der ganzen Welt trifft man auf außergewöhnliche Wege. Welche Überraschungen diese Straßen bereithalten:

1. Eine Straße zum Mitsingen

Radio ausschalten, Fenster auf und zuhören. Denn auf der ungarischen Schnellstraße R67 ertönt das Lied „A 67-es út“. Sind Fahrzeuge mit 80 km/h auf dem Teilstück zwischen Mernye und Mernyeszentmiklós unterwegs, ist die Melodie des Songs zu hören. Zum Gedenken an den verstorbenen Frontsänger László „Cipő“ Bódi der Rockband Republic entstand 2019 dieser musikalische Abschnitt.

Straßenmarkierungen in Form von Noten auf dem Asphalt und Schilder am Fahrbahnrand weisen auf den 500 Meter langen Abschnitt hin. Rillen im Straßenbelag lassen das Fahrzeug vibrieren. Fährt man mit der vorgesehenen Geschwindigkeit über die in verschiedenen Abständen angeordneten Einkerbungen, entsteht eine hörbare Melodie. So scheint es, dass die Straße singt.

Auf langer Fahrt sorgen musikalische Straßen für Unterhaltung und animiert Autofahrende auf spielerische Weise zu einer gemäßigten Fahrgeschwindigkeit. Dennoch sollten Verkehrsteilnehmende sich nicht durch dieses Extra ablenken lassen und stets mit angepasster Geschwindigkeit unterwegs sein. Auch wenn man dafür zum Beispiel bei schlechter Sicht auf den Song verzichten muss, weil man sein Tempo an die Wetterbedingungen anpasst. 

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2. Dünne machen

Der Schwabe spart angeblich gern. Das hat ihm nicht nur einen besonderen Ruf, sondern auch eine echte Weltsensation eingebracht. Denn in Reutlingen war man sehr sparsam – in Bezug auf den Platz. Hier befindet sich mit der Spreuerhofstraße die engste Straße der Welt. Zwar ist die Gasse 50 Meter lang, misst an ihrer schmalsten Stelle aber gerade einmal 31 Zentimeter. Nicht einmal ein Fahrrad passt hier durch. Seit 2007 steht die Straße der Reutlinger Altstadt damit im Guinness-Buch der Rekorde.

Nach dem Stadtbrand von 1726, der große Teile des Ortes in Baden-Württemberg zerstörte, entstand die Gasse. Ursprünglich befand sich auf dem angrenzenden Spreuerhof ein Getreidelager für das Krankenhaus. Es wird vermutet, dass die kleine Gasse dabei als Fluchtweg diente. Um die Gasse und den Weltrekordtitel zu behalten, kaufte die Stadt Reutlingen übrigens das angrenzende Haus. Dieses drohte zu verfallen, und die Gasse wäre somit nicht mehr begehbar gewesen. Ganz so sparsam ist der Schwabe dann doch nicht für eine echt schmale Sensation.

3. Bergauf gerollt

In der Nähe der italienischen Stadt Trient scheinen die Gesetze der Schwerkraft nicht zu gelten: Stünde man mit einem Wagen auf der kleinen Bergstraße in Montagnaga di Pinè und löste die Handbremse, würde man wie von Geisterhand bergauf rollen. Die Italiener nennen dieses Phänomen „Salita Discesa“. Aber wie funktioniert das? Am Berg wirken keine magnetischen Anziehungskräfte. Es ist vielmehr ein optischer Effekt, der dafür sorgt, dass man auf der Via Sant’Anna scheinbar hinaufrollt. Denn eigentlich verläuft die Straße nicht bergauf, sondern bergab. Schuld für diese optische Täuschung ist der Horizont, an dem sich der Betrachter orientiert. Steht man am Ende der Straße und schaut dann in die Ferne, sieht es so aus, als würde der Berg ansteigen. Das stimmt aber nicht. Die Blickachse des Betrachers verschiebt sich praktisch in die „falsche“ Richtung. Das minimale Gefälle der Straße wird daher als Steigung wahrgenommen.

4. Vorübergehend abgetaucht

Verkehrsteilnehmende brauchen an der Passage du Gois mehrmals am Tag Geduld. Denn die Passage unterliegt dem Wechsel von Ebbe und Flut. Die Straße in Westfrankreich verschwindet, wenn das Meerwasser kommt. Die Gezeiten entscheiden also darüber, wann gefahren werden darf. Und das geht nur bei Niedrigwasser. Bei Hochwasser wird die gesamte Fahrbahn bis zu drei Meter überflutet.

Mitten im Naturschutzgebiet Baie de Bourgneuf liegt die Passage, die die Atlantikinsel Île de Noirmoutier mit dem Festland verbindet. Straßen mit diesem beeindruckenden Naturschauspiel gibt es einige. Doch die große Besonderheit der Passage du Gois ist ihre Länge von insgesamt 4,5 Kilometern. Wann die Straße benutzt werden kann, zeigt eine Warntafel. Zweimal am Tag kommt die Flut. Dann heißt es: schnell Land gewinnen.

Bei Wasser auf der Fahrbahn Tempo runter

Nach der Flut ist die Straßenoberfläche oft nass und rutschig. Verkehrsteilnehmende müssen dann bei der Überquerung besonders aufpassen. Schließlich spült das Meerwasser auch rutschige Algen auf die Fahrbahn, die ein zusätzliches Risiko darstellen. Um nicht die Haftung auf der Fahrbahn zu verlieren, gilt es, die Geschwindigkeit zu reduzieren. Sammelt sich zudem Wasser auf der Straße, empfiehlt es sich, versetzt zu den Spurrillen zu fahren. So behalten Verkehrsteilnehmende die Kontrolle am Lenkrad, das bei Aquaplaning möglichst gerade gehalten werden sollte.

5. Offene Grenze?

Bewegungsmelder, Kameras und Helikopter in der Luft – die Rue Canusa ist die wohl bestüberwachte Straße der Welt. Doch warum eigentlich? Ihre Besonderheit zeigt sich bereits an ihrem Namen. Die Rue Canusa oder die Canusa Street ist eine Grenzstraße. Sie verläuft längs der Grenze zwischen Kanada und den USA. CAN – USA, also im wahrsten Sinne des Wortes.

Bis zur Hälfte der Straße – und dann geht es nicht weiter. Zumindest nicht ohne Passkontrolle. Überquert man die Rue Canusa, gehört eine Kontrolle automatisch dazu. Im kanadischen Stanstead und amerikanischen Beebe Plain gehört das zum Alltag der Einwohner. Hier ist die einzige Grenzstelle, an der die Straße der Länge nach in zwei Hälften geschnitten wird. Wer mit seinem Fahrzeug über die zwei gelben Linien fährt, die die beiden Nachbarländer trennen, begeht gleich einen doppelten Regelverstoß: Unerlaubtes Überfahren einer durchgezogenen Linie – und illegaler Grenzübertritt.

Bilder: Shutterstock