Das Fahrrad im Lauf der Zeit
Erst Laufrad, dann Fahrrad: So hat sich das umweltfreundliche Verkehrsmittel in den letzten 200 Jahren entwickelt.
23.06.2017
In diesem Jahr feiert das Fahrrad seinen 200. Geburtstag. Das beliebte Verkehrsmittel hat eine bewegte Reise hinter sich. Doch die Entwicklung begann mit einem Umweg: Ein Vulkan in Indonesien musste ausbrechen, damit das Fahrrad überhaupt erst in Tritt kam.
Die Laufmaschine
Das Fahrrad hat in Mannheim das Licht der Welt erblickt. Dort entwickelte der Karlsruher Karl Drais aus der Not heraus den Vorgänger des heutigen Zweirads. Doch der eigentliche Ausgangspunkt für die Erfindung lag woanders – mehr als 12.000 Kilometer entfernt in Indonesien. Dort brach 1815 der Vulkan Tambora aus. Das Ereignis führte zu Ernteausfällen und steigenden Haferpreisen. Die Pferde konnten nicht mehr versorgt werden. Ein neues Fortbewegungsmittel musste her. Karl Drais hat sich dieser Aufgabe angenommen – und ein Gefährt entwickelt, auf dem der Fahrer sitzt und sich mit den Beinen abstößt. Das Laufrad beziehungsweise die Draisine – die Ur-Form des Fahrrads – bestand unter anderem aus einem gepolsterten Holzbalken sowie einem lenkbaren Vorderrad und einer einfachen Bremse. Mit dem Gefährt waren Verkehrsteilnehmer deutlich schneller als Fußgänger und überholten sogar die Postkutsche. Karl Drais soll unter anderem die 50 Kilometer lange Strecke von Karlsruhe nach Kehl in drei Stunden zurückgelegt haben. Doch letztlich setzte sich die Laufmaschine nicht durch: Sie war zu teuer und unbequem. Vor allem auf holprigen Straßen war die Fahrfreude begrenzt.
Das Velociped
Die Entwicklung stand einige Jahrzehnte still, bis das Rad 1861 in Frankreich mit Pedalen ausgestattet wurde. Welcher Erfinder auf diese Idee kam, steht nicht endgültig fest. Vermutlich waren es Pierre Michaux und sein Sohn Ernest Michaux. Einer Überlieferung zufolge montierte Pierre Michaux bei einem Modell Tretkurbeln an das Vorderrad, da sein Sohn die Fahrt über lange Strecken ermüdend fand. Die beiden hatten außerdem die Idee, von Holz auf Stahl umzusatteln. Sie bezeichneten ihr Rad als “vélocipède bicycle“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie: schnelle Füße. Als Vater und Sohn ihr Modell 1867 bei der Weltausstellung in Paris vorstellten, erregte das Zweirad großes Aufsehen.
Das Hochrad
Der nächste Meilenstein in der Entwicklung des Fahrrads kam in England ins Rollen. 1870 überlegten sich die Fabrikanten James Starley und William Hillman, wie man das Fahrrad schneller machen kann. Die Lösung: das Vorderrad deutlich vergrößern. Dadurch legte ein Radler mit einem Pedaltritt mehr Strecke zurück. Das Hinterrad wurde im Gegensatz dazu – auch um das Aufsteigen zu erleichtern – immer kleiner. Letztlich fuhr das Hochrad namens „Ariel“ wesentlich schneller als sein Vorgänger. Außerdem hatte das Rad Nabenfelgen, Speichen aus Stahl und Reifen aus Vollgummi. Allerdings erforderte das Fahren großes Geschick. Viele Fahrer stürzten und aufgrund der Fallhöhe verletzten sie sich oft. Das hielt manche jedoch nicht ab, waghalsige Radrennen zu veranstalten. Eines davon fand in Paris-Roubaix statt. Eine besondere Herausforderung, denn die Strecke führt bis heute teilweise über Kopfsteinpflaster.
Das Sicherheits-Niederrad
Der englische Konstrukteur und Fahrrad-Produzent John Kemp Starley war Enkel von James Starley und wollte die Entwicklung seines Großvaters modifizieren. Sein Ziel: die Muskelkraft besser nutzen und das Rad sicherer machen. Dafür entwickelte er das „Rover Safety Bicycle“. Es hatte zwei gleich große Räder, eine Kette und einen verstellbaren Sattel. Bei der ersten Präsentation seiner Erfindung 1884 war das Publikum jedoch skeptisch. Die Presse bezeichnete das Velo aufgrund seiner geringeren Höhe als „Kriecher“ oder „Käfer“. Erst als Starley ein Rennen veranstaltete, bei dem Toprennfahrer George Smith mit dem Sicherheits-Niederrad einen neuen Weltrekord aufstellte, etablierte sich das Fahrrad. Es ist bis heute in seiner Form allen bekannt. Das Hochrad war hingegen Geschichte.
Gefahren der Gegenwart
Mit der Entwicklung des Autos im 20. Jahrhundert hat das Fahrrad Konkurrenz bekommen. Doch an der Popularität hat das kaum etwas geändert. Bis heute schätzen Menschen am Radfahren die Flexibilität, die Umweltfreundlichkeit und die Möglichkeiten sich fit zu halten. Radler sollten jedoch achtsam sein. Neben Fußgängern sind sie die schwächsten Verkehrsteilnehmer und haben bei einem Unfall schlechte Karten. Deshalb gilt: Defensiv fahren und mit Fehlern von Auto-, Motorrad- und Lkw-Fahrern rechnen. Natürlich setzen Radfahrer vor jeder Fahrt am besten einen Helm auf. Denn auch bei geringen Geschwindigkeiten kann ein Aufprall fatale Folgen haben.
Bilder: dpa