Autofahren mit Handicap

Mobilität: Behindertengerechte Fahrzeuge machen vieles möglich.

 

21.02.2017

Mobilität ist ein Grundbedürfnis. Wer ein eigenes Auto hat, aber es wegen einer Behinderung nicht mehr in der Lage ist, zu fahren, kann es umrüsten lassen. In bestimmten Fällen gibt es für den Umbau zum behinderten- oder rollstuhlgerechten Fahrzeug sogar Zuschüsse oder Kostenübernahmen.

Als Matthias aus Hamburg nach seinem Badeunfall von einem Moment auf den anderen nicht mehr laufen konnte, wusste er gar nicht, dass Rollstuhlfahrer auch Auto fahren können. Damals war er 18 Jahre alt und hatte seinen Führerschein gerade in der Tasche. Noch während seines zehnmonatigen Krankenhausaufenthalts wies man ihn auf  die Möglichkeiten hin und schon in der Klinik begann er mit einem umgerüsteten Auto Fahrstunden zu nehmen.

Steuer mit Handgabel

Heute sagt der 35-Jährige: „Autofahren erleichtert das Leben ungemein.“ Er ist jetzt mit einem Automatik-Wagen unterwegs und hat am Steuer eine Handgabel, die die lenkende, linke Hand hält. Hinzu kommt ein Handbediengerät für Gas und Bremse auf der anderen Seite, und auch der Blinker wurde nach rechts umgesetzt.

In Deutschland sind rund 75 Firmen auf die Umrüstung von Fahrzeugen spezialisiert.

Achim Neunzling ist – lässt er das Thema Kosten außen vor – mit dem Angebot für behinderte Menschen zufrieden. „Im Prinzip bekommt jeder, was er benötigt“, sagt der Vorsitzende des Bundes behinderter Auto-Besitzer (BbAB) aus Bexbach im Saarland. Zum einen hätten sich manche Autohersteller auf die Bedürfnisse eingestellt. Zum anderen gäbe es Unternehmen, die sich auf die Umrüstung von Fahrzeugen spezialisiert hätten: Rund 70 bis 75 solcher Firmen gebe es mittlerweile in Deutschland, informiert Neunzling. Die Zahl der umgerüsteten Autos in Deutschland liegt seiner Schätzung nach im sechsstelligen Bereich.

Behindertengerechtes Auto: viele Umbauten machbar

Vom Handgerät, das per mechanischer Verbindung zu den Pedalen dafür sorgt, dass Gas und Bremse betätigt werden können, bis hin zum automatischen Verstauen des Rollstuhls auf der Rückbank oder dem sprachgesteuerten Radio: Es gibt eine große Bandbreite an Umbauten. Die Nachfragen sind je nach Vorgeschichte sehr individuell. Genauso breit ist die Palette an Fahrzeugen, die umgerüstet werden können – von der Oberklasse bis zum Kleinwagen.

Im Prinzip bekommt jeder, was er benötigt.

Am Anfang einer jeden Umrüstung steht das Gespräch mit dem Kunden, der in der Regel ein verkehrsmedizinisches Gutachten mitbringt. Daraus lässt sich schon vieles für die nötige Umrüstung herauslesen. Matthias aus Hamburg hat dieses Gutachten seinerzeit nach seinem Unfall bekommen – das ist in vielen Rehakliniken, beispielsweise nach einem Unfall oder Schlaganfall, Standard.

Fahrstunden mit dem umgebauten Auto

Es gibt Begutachtungsleitlinien und Anlagen, bei welcher Erkrankung was genau zu beachten ist. Empfehlenswert – wenn auch nicht vorgeschrieben – ist für die eigene juristische Absicherung neben Fahrstunden mit einem umgerüsteten Auto auch eine Fahrprobe mit einem aaSoP: einem „allgemein anerkannten Sachverständigen oder Prüfer“.

Fahrzeug umrüsten: Zuschüsse für Berufstätige

Um die Umrüstung eines Wagens müssen sich Betroffene selbst kümmern. Spätestens dann taucht die Frage nach der Finanzierung auf. Bei Berufstätigen werden „Umbauten, mit denen das Auto behindertengerecht angepasst wird, im Rahmen der Kfz-Hilfe finanziell bezuschusst“, erläutert Achim Neunzling, der Vorsitzende des Bundes behinderter Auto-Besitzer.

Kostenträger ist dann entweder die Agentur für Arbeit (bei weniger als 15 Jahren Beitrag in die gesetzliche Rentenkasse), die Rentenversicherung (bei mindestens 15 Beitragsjahren) oder die Unfallversicherung (bei einer Behinderung aufgrund eines Arbeitsunfalls). Ob auch die Anschaffung eines eigenen Autos bezuschusst wird, hängt von verschiedenen Kriterien ab – zuallererst muss die betroffene Person berufstätig sein. Ohne diese Begründung würde es schwierig mit Finanzierungshilfen. Die Kosten für eine Umrüstung richten sich nach den Maßnahmen. Eine Handbedienanlage für Gas und Bremse kostet laut Achim Neunzling etwa 2500 Euro. Der Einbau eines Rollstuhlverladesystems liegt bei circa 10.000 Euro. Eine Chance auf Kostenübernahme bestehe je nach Vorgeschichte bei der Rentenversicherung, der Agentur für Arbeit, bei Berufsgenossenschaften oder Unfallversicherungen.

Werkstatt mit Know-how?

Neunzling rät, neben den Kosten auch auf andere Dinge zu achten: Haben Hersteller Know-how für Automatikgetriebe, die Standard bei umgerüsteten Autos sind? Ist eine Reparatur des Wagens auch schnell in den Werkstätten vor Ort möglich? Schließlich könne der Betroffene keinen Ersatzwagen nutzen. Und arbeiten Umrüster eng mit den Herstellern zusammen?


Matthias aus Hamburg arbeitet heute als Software-Entwickler und schätzt die Annehmlichkeiten, die ihm das Autofahren bringt. In seinem Führerschein weisen die Schlüsselzahlen darauf hin, was speziell für ihn vorgeschrieben ist – „wie bei Brillenträgern auch“, sagt er. „Ich habe auch einen Zettel von der Führerscheinstelle bekommen, was für mich alles eingebaut sein muss. Und den sollte ich auch immer dabei haben.“

Fotos: dpa