Deshalb fallen Fahrschüler immer öfter durch

Jeder Dritte schafft nicht mal die theoretische Führerscheinprüfung.

 

16.11.2018

Zum vierten Mal in Folge steigen die Durchfallquoten bei der Führerscheinprüfung. 2017 wurden 36,8 Prozent der schriftlichen Prüfungen sowie 28,1 Prozent der praktischen Prüfung nicht bestanden. Tendenz steigend. Zu strenge Prüfer? Oder liegt es an den Fahrschülern? 

Der Trend ist ungebrochen: Seit Jahren steigt die Durchfallquote

„Das war es, Sie sind leider durchgefallen.“ Ein Satz, den Fahrschüler nicht gern, aber immer häufiger hören. Bestanden 1960 rund 80 Prozent der Fahrschüler die abschließenden Prüfungen, waren es zehn Jahre später nur noch knapp 75 Prozent. Heute bestehen Führerscheinanwärter mehr als jede dritte theoretische Prüfung sowie mehr als jede vierte praktische Führerscheinprüfung nicht. 

Prüfungen von 1960 sind mit heutigen nicht vergleichbar.

Waren die Prüfungen früher so viel einfacher? „Ja“, sagt Dieter Quentin, Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände (BVF). Und ergänzt: „1960 hatten wir rund 4,5 Millionen Pkw auf den Straßen. Heute sind es zehnmal so viele. Der Verkehr steht nicht still, entwickelt sich, wird komplexer, schwieriger. Die Lerninhalte und die Prüfungen müssen sich dieser Entwicklung anpassen und gewährleisten, dass ein Führerscheininhaber das nötige Wissen und Können hat, sicher ein Fahrzeug zu führen. Klar, dass es dann auch schwieriger wird.“

Chronologie der Misserfolge: Tendenz steigend!

Durchgeführte und nicht bestandene Prüfungen zur Erlangung einer allgemeinen Fahrerlaubnis in den Jahren 2008 bis 2017 nach Art der Prüfung

Jahr

Theoretische
Prüfungen
insgesamt

Nicht
bestandene
theoretische
Prüfungen
in %

Praktische
Prüfungen
insgesamt

Nicht
bestandene
praktische
Prüfungen
in %

2008

1.890.374

30,4

1.774.948

25,7

2009

1.798.007

29,9

1.733.899

25,4

2010

1.593.831

28,7

1.572.640

25,7

2011

1.591.361

29,3

1.567.438

26,2

2012

1.562.980

28,9

1.526.625

26,0

2013

1.474.074

29,1

1.498.643

26,4

2014

1.562.794

32,3

1.501.614

26,0

2015

1.645.817

33,0

1.557.365

26,2

2016

1.704.142

34,8

1.606.088

26,6

2017

1.818.119

36,8

1.658.682

28,1

Chronologie der Theorie: Erst mündlich, dann schriftlich, heute am PC

Um zu verstehen, warum immer mehr Schüler durch die theoretische Prüfung fallen, hilft ein Blick auf die Entwicklung der Prüfmethoden. Bis Mitte der 1950er-Jahre reichte eine mündliche Prüfung. Mit der Zunahme des Verkehrs wurden 1956 schriftliche Prüfungsbögen eingeführt, mit Charme und Rhetorik kam nun keiner mehr durch. Über die Jahrzehnte wurde der Fragenkatalog erweitert. Die Fragebögen hatten aber einen Nachteil: Die Fahrschüler konnten die Bögen auswendig lernen und die Fragen richtig beantworten, ohne sie zu verstehen. 

Auswendig zu lernen hilft nicht mehr, Wissen ist gefragt.

„Das geht seit 2010 mit der Einführung computerbasierter Prüfungen nicht mehr“, sagt Quentin. Der PC-Test verhindere, dass Fahrschüler Fragen korrekt durch Auswendiglernen beantworten. „Heute ist jede Frage und jeder Prüfungsbogen unterschiedlich. So muss der Schüler die dargestellte Situation verstehen, um sie zu lösen.“ Dies wirke sich negativ auf die Erfolgsquote aus. „Das ist im Einzelfall hart, aber wer versteht, macht weniger Fehler. Und weniger Fehler bedeuten weniger Unfälle,“ so Quentin.

Theorieprüfung heute: Über 1.000 Fragen

Eine andere Ursache für die hohe Durchfallquote sieht der Fahrlehrer in dem stark gewachsenen Regelwerk und dem damit verbundenen deutlich umfangreicheren Wissen, das ein Prüfling haben muss. „Über 1.000 Prüfungsfragen gibt es heute. Da ist es verständlich, dass das nicht jeder gleich schafft.“ Besonders schwer hätten es Prüflinge mit Migrationshintergrund. „Nicht jede Sprache ist übersetzt. Zwar gibt es auch beispielsweise eine arabischsprachige Prüfung, nur eben nicht in jedem Dialekt,“ so Quentin. Das sei aber fürs Bestehen entscheidend.

In der praktischen Prüfung sind die Prüfer nicht strenger, die Anforderungen sind höhere als früher

Die praktische Fahrprüfung wurde im Laufe der Jahrzehnte ebenfalls an die aktuellen Verkehrsbedingungen angepasst. „Vor 40 Jahren dauerte die praktische Prüfung 15 Minuten, und der Verkehr war leicht zu überblicken. Heute sind 45 Minuten Vorschrift, und die Verkehrssituation ist viel komplexer. Das bewältigen gut ein Viertel der Prüflinge nicht“, sagt Quentin. Klar ist: Je länger die Prüfung, desto mehr Zeit für Fehler. Warum heute dreimal so lange gefahren wird, begründet der BVF-Vorsitzende mit den vielen verschiedenen Verkehrssituationen, die der Prüfer abnehmen muss. Dass Prüfer heute strenger geworden seien und mehr Menschen deshalb durchfielen, schließt Quentin aus: „Sie sind nicht härter geworden, sie halten sich nur an die Vorgaben und machen einen guten Job.“ Letztlich hätten Fahrlehrer und Prüfer nur ein Ziel: ausschließlich sichere Fahrer in den Straßenverkehr zu entlassen. 

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Bild: TÜV Rheinland