Ende mit Schrecken

Auffahrunfälle am Ende eines Staus haben oft verheerende Folgen. Doch schon einfache Maßnahmen verringern das Unfallrisiko deutlich.

 

03.02.2021

Ob aufgrund erhöhten Verkehrsaufkommens zur Rushhour, wegen eines Unfalls oder einer Baustelle: Auf deutschen Autobahnen stockt der Verkehr täglich. Staus gehören zum leidigen Alltag vieler Autofahrerinnen und Autofahrer. In den meisten Fällen kosten sie lediglich Zeit und Nerven. Doch am Ende der Kolonne kann es gefährlich werden. Bei Auffahrunfällen am Stauende – insbesondere mit Beteiligung eines Lkws– kommen immer wieder Verkehrsteilnehmende ums Leben.

Unfälle dieser Art sind zwar vergleichsweise selten, doch wenn sie passieren, sind die Folgen meist drastisch. Selbst kleinere Pkw entfalten eine enorme Kraft, wenn sie ungebremst auf andere, an einem Stauende stehende Fahrzeuge auffahren. Bei einem Lkw hingegen können schon geringe Geschwindigkeiten verheerende Auswirkungen haben. So haben von der DEKRA durchgeführte Crash-Tests gezeigt: Prallt ein Lkw mit nur 40 Kilometern pro Stunde auf einen in einem Stau stehenden oder langsam fahrenden Pkw, schiebt er diesen mit großer Wucht in ein vorderes Fahrzeug. Der Pkw kann dadurch vollständig zerstört werden, Insassen haben kaum eine Überlebenschance.

Hauptursache für Auffahrunfälle: mangelnder Sicherheitsabstand

Nach den Ursachen solcher Horrorunfälle befragt, sagt Henrik Liers, Geschäftsführer der Verkehrsunfallforschung an der Technischen Universität Dresden GmbH: „Die mit Abstand häufigste Unfallursache für Auffahrunfälle ist mangelnder Sicherheitsabstand. Der führt in Situationen, in denen ein vorausfahrendes Fahrzeug abbremst, dazu, dass keine ausreichende Zeit mehr für eine Bremsung zur Verfügung steht. An Stauenden ist die Situation aber oftmals noch eine andere. Hier spielen Unaufmerksamkeit, Ablenkung und Müdigkeit eine große Rolle.“ 

Liers hat klare Empfehlungen, wie sich solche Schreckensszenarien vermeiden lassen:

„Fahrerinnen und Fahrer können selbst das Risiko von Auffahrunfällen reduzieren, indem sie sich immer an den gebotenen Sicherheitsabstand halten. Hier kommen technische Lösungen ins Spiel. Es ist unbedingt zu empfehlen, verfügbare Systeme zu nutzen. So trägt die Aktivierung eines ACC (Abstandsregeltempomat, Anm. d. Red.) entscheidend zur Einhaltung des Sicherheitsabstandes bei. Zudem verfügen zunehmend mehr Fahrzeuge über moderne Notbremsassistenten, die auch für höhere Geschwindigkeiten konzipiert sind. Diese bremsen bei Erkennen einer drohenden Auffahrsituation selbstständig, wenn man nicht oder nicht ausreichend reagiert. Notbremssysteme sollten – insbesondere in LKW – daher nie ausgeschaltet werden! Allerdings: ACC und Notbremssysteme sind Assistenzsysteme; die volle Aufmerksamkeit der Pkw-Fahrenden ist weiterhin erforderlich. Die Fahrer und Fahrerinnen bleiben in voller Verantwortung.“

Eine vorausschauende Fahrweise verhindert kritische Situationen, oft noch bevor sie entstehen. Auf der Autobahn gilt es besonders, auch auf das Geschehen vor dem vorausfahrenden Fahrzeug zu achten. So bemerkt man Veränderungen früher und kann rechtzeitig reagieren. Wer vor sich dichten, zähfließenden Verkehr oder einen Stau sieht, sollte die eigene Geschwindigkeit sofort angemessen verringern und den Sicherheitsabstand zum Vordermann oder zur Vorderfrau vergrößern. Dasselbe gilt vor Baustellen, Fahrbahnverengungen, auch Regen oder Schnee. Bei unerwartet notwendigem Abbremsen warnt man nachfolgende Autofahrerinnen und -fahrer durch kurzes Einschalten der Warnblinkanlage. Rechnen Sie immer mit Fehlern beziehungsweise Unaufmerksamkeiten anderer. Beobachten Sie Fahrzeuge hinter Ihnen im Rückspiegel, wenn Sie auf ein Stauende zufahren. Im Ernstfall bleibt dann womöglich noch Zeit für ein Ausweichmanöver.

708.500 Staus bildeten sich 2019 auf Autobahnen in Deutschland.

Erhöhte Vorsicht in Risikobereichen

Es gibt Streckenabschnitte auf Autobahnen, an denen es immer wieder zu Auffahrunfällen kommt. „Nach unserer Einschätzung sind generell jene Bereiche besonders risikobehaftet, in denen große Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Fahrzeugen auftreten, beispielsweise starke Steigungen, an denen schwere Lkw oft besonders langsam fahren. Oder auch Bereiche, in denen es plötzlich zu einer Änderung im Verkehrsfluss kommt, etwa vor Baustellen“, so Liers.

Zusätzlich gilt auf Autobahnen besondere Vorsicht an Stellen, die schlecht einsehbar sind. Hinter Kurven oder Hügeln kann unerwartet ein Stau oder dichter Verkehr auftauchen. Vor  besonders kritischen Streckenabschnitten stehen oft Warntafeln. Verkehrsteilnehmende sollten diese Hinweise ernst nehmen, mit Stau rechnen und entsprechend vorsichtig fahren. Ohnehin müssen Verkehrsteilnehmende gemäß § 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) ihre Geschwindigkeit immer den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anpassen.

Bei Stau: Rettungsgasse bilden!

Kommt der Verkehr zum Erliegen oder nur sehr langsam voran, müssen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer zudem eine Rettungsgasse bilden. Für Unfallopfer ist es überlebenswichtig, dass Rettungskräfte die Unfallstelle möglichst schnell und ungehindert erreichen. Jede Sekunde zählt. Gemäß StVO wird die Rettungsgasse immer zwischen dem äußerst linken und den übrigen, rechts danebenliegenden Fahrstreifen gebildet. Das bedeutet: Fahrzeuge auf der linken Spur weichen nach links, alle anderen nach rechts aus. Grundsätzlich muss der Standstreifen dabei frei bleiben. Ausnahme: Die Polizei fordert zum Befahren auf oder aus Platzgründen besteht keine andere Möglichkeit die Rettungsgasse zu bilden.

Staus vermeiden – mit diesen Tipps

Staus lassen sich auch künftig nicht komplett verhindern. Doch es gibt einige Tipps, die dichten Verkehr und längere Fahrtzeiten vermeiden helfen:

  • Den Zeitpunkt der Fahrt günstig wählen. Das Verkehrsaufkommen schwankt stark, je nach Wochentag und Tageszeit. Auch Ferienzeiten und Feiertage beeinflussen das Staugeschehen. Wer die Möglichkeit hat und außerhalb der Stoßzeiten fährt, ist mit höherer Wahrscheinlichkeit auf freien Strecken unterwegs.
  • Unterwegs den Verkehrsfunk hören. Etwas aus der Mode gekommen, liefert das Autoradio dennoch in regelmäßigen Abständen Updates zu Staus und Störungen. Die Sender vermelden auch besondere Gefahren wie etwa Geisterfahrer.
  • Das Navigationssystem nutzen. Häufig gibt das System alternative Routen akustisch an und hilft so, Staus zu umfahren. Ergänzend zeigen moderne Geräte die Verkehrslage auf den virtuellen Karten an. Oft signalisieren Ampelfarben, wie hoch das Verkehrsaufkommen ist. Grün bedeutet freie Fahrt, Gelb meint hohes Verkehrsaufkommen und Rot steht für Stau.

Die Beifahrerin oder den Beifahrer um Hilfe bitten. Für Fahrerinnen und Fahrer ist der Griff zum Smartphone tabu. Doch Mitfahrende können damit aktuelle Verkehrsdaten abrufen und womöglich alternative Routen vorschlagen.

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