Gibt es Tempolimits für Radfahrer?

Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr sind für Kraftfahrzeuge klar geregelt, für Radfahrer ist der Durchblick dagegen schwieriger. Eine Übersicht.

 

24.06.2019

Als der deutsche Radrennfahrer Marcus Burghardt im Juli 2016 bei der Tour de France mit mehr als 130,7 Kilometern pro Stunde einen Berg herunter raste, stellte er nicht nur einen Tour-Rekord auf. Burghardt war auch knapp schneller, als Autofahrer auf der französischen Autobahn fahren dürfen.

Die US-Amerikanerin Denise Mueller-Koronek trieb den Geschwindigkeitsrausch im Juli 2018 auf die Spitze und stellte auf einem Salzsee in der Nähe von Salt Lake City die WeltrekordGeschwindigkeit für Radfahrer auf: 296 km/h.

Rekorde wie diese zeigen, welche Geschwindigkeiten Radfahrer inzwischen erreichen können. Im städtischen Straßenverkehr ist ein solches Tempo zwar kaum denkbar, dennoch kommt es heutzutage vor, dass Radfahrer ähnlich schnell wie Autofahrer unterwegs sind. Dabei können sie natürlich genauso wie Pkw-Fahrer Tempolimits brechen. Teilweise gelten aber andere Regeln. Denn die generellen Geschwindigkeitsbegrenzungen, die in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) laut § 3 Absatz 3 geregelt sind – beispielsweise Tempo 50 innerorts – gelten nur für Kraftfahrzeuge. Gewöhnliche Fahrräder gehören nicht dazu. Der Hintergrund: Als die ersten Geschwindigkeitsbegrenzungen für Kraftfahrzeuge Ende der 1930er-Jahre in der StVO niedergeschrieben wurden, war der Gesetzgeber offenbar der Meinung, dass Radfahrer diese Tempovorgaben ohnehin nicht erreichen würden. Trotz der Lücke, die §3 Absatz 3 StVO für das Tempo von Radfahrern lässt, ein Freifahrtsschein für schnelle Radfahrer bedeutet das Orteingangsschild dennoch nicht: Christian Janeczek, Fachanwalt für Verkehrsrecht, verweist auf den ersten Absatz desselben Paragrafen. Der schränkt das fehlende Tempolimit für Radler ein. Dort heißt es nämlich: „Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird.“ Fahrzeuge schließen sowohl Kraftfahrzeuge als auch Fahrräder und andere Fortbewegungsmittel mit ein.   Beherrschen heißt: angepasst fahren. Auch Radfahrer müssen ihre Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anpassen. 

Wann ist ein Fahrrad ein Kraftfahrzeug?

E-Bikes, Pedelecs, S-Pedelecs: Sie sehen ähnlich aus, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten voneinander. Alle basieren auf der Idee des Fahrrads. Aber nur Pedelecs gelten formal auch als Fahrräder, E-Bikes und S-Pedelecs hingegen als Kraftfahrzeuge.

Ein Pedelec ist ein Fahrrad mit einem zusätzlichen Elektromotor. Der sorgt jedoch nicht selbständig für Antrieb, sondern unterstützt die Muskelkraft der Radfahrer. Diese Unterstützung endet ab einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Deswegen gelten Pedelecs nicht als Kfz, sondern sind Fahrrädern rechtlich gleichgestellt. Es ist der mit Abstand häufigste Typ der Elektrofahrräder.

Beim S-Pedelec schaltet sich die Unterstützung erst bei 45 km/h ab. Deswegen gelten S-Pedelecs formal als Kleinkrafträder. Sie müssen deswegen ein Versicherungskennzeichen und der Fahrer einen Helm tragen. Für sie gelten dieselben Geschwindigkeitsregeln wie für andere Kraftfahrzeuge: Sie dürfen in der Stadt also nicht schneller als 50 km/h fahren.

Das E-Bike ist rechtlich genau definiert und unterscheidet sich vom Pedelec, auch wenn in der Bevölkerung und dem Handel das Pedelec meist als E-Bike bezeichnet wird. Bei E-Bikes im engeren Sinne handelt es sich quasi um Elektromofas. Denn bei ihnen dient der Motor nicht als Tretunterstützung, sondern als eigenständiger Antrieb. Deswegen sind selbst E-Bikes mit einer geringen Höchstgeschwindigkeit von bis zu 20 km/h Kraftfahrzeuge und benötigen ein Versicherungskennzeichen. Mit ihnen darf nur dann auf Radwegen gefahren werden, wenn ausdrücklich das Schild „E-Bike frei“ aufgestellt ist.

Auch wenn Rad- und Pedelecfahrer nicht an die generellen Tempolimits gebunden sind, die die StVO in § 3 Absatz 3 für Kraftfahrzeuge beschreibt: An Verkehrszeichen, die Geschwindigkeiten für alle Fahrzeuge regeln, müssen sie sich halten – wie alle Fahrzeugführer.

Bei einem Tempo-50-Schild heißt es für Radler: maximale Höchstgeschwindigkeit 50 km/h. Bei einem Tempo-30-Schild sind höchstens 30 km/h erlaubt. Auch das Verkehrszeichen für eine Spielstraße weist für alle Fahrzeuge den verkehrsberuhigten Bereich aus. Dort gilt demnach auch für Radfahrer Schrittgeschwindigkeit.

Einzige Ausnahme ist das Ortseingangsschild: Während es PkwFahrern eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h signalisiert, weil es auf § 3 Absatz 3 verweist, bedeutet es für alle, die kein Kraftfahrzeug führen, lediglich: Hier beginnt eine Ortschaft.

Was bedeutet Schrittgeschwindigkeit?

Was Schrittgeschwindigkeit genau bedeutet, darin sind sich selbst Experten uneins. Verschiedene Gerichtsurteile haben die Geschwindigkeit unterschiedlich ausgelegt. Allgemein durchgesetzt hat sich eine maximale Schrittgeschwindigkeit von 7 bis 11 km/h.

Wann Bußgeld fällig wird

Die Bußgeldsätze des Bußgeldkatalogs sind bei Geschwindigkeitsübertretungen nur für die Fahrer von Kraftfahrzeugen ausgewiesen. Verstoßen Radfahrer gegen die gebotene Vorsicht, müssen sie dennoch mit einem Bußgeld rechnen. Wie hoch das ist, entscheidet die Bußgeldstelle je nach Fall.

Klar geregelt ist die Bußgeldfrage dagegen für Radfahrer bei zwei Sonder-Tatbeständen: Wenn Fahrradfahrer Fußgänger gefährden –auf Fußwegen oder in Fußgängerzonen. Erlaubt das Fußgänger-Zone-Schild Radfahrern die Durchfahrt, müssen sie sich an die Schrittgeschwindigkeit halten bzw. an das Verhalten von Fußgängern anpassen und dürfen sie nicht gefährden. Das Gleiche gilt auf gemeinsamen Fuß- und Radwegen. Verstoßen Radfahrer dagegen, ist ein Bußgeld von 55 Euro fällig. Fahren sie trotz Verbot in einen Fußgängerbereich, müssen sie 25 Euro zahlen.

Radfahrer müssen – wie alle Fahrzeugführer – ihre Geschwindigkeit
den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anpassen.

Gibt es einen Radweg, der vom Fußgängerweg abgetrennt ist, ist auch das noch kein Freifahrtschein für hohes Tempo. Der Bundesgerichtshof hat bereits 2008 in einem richtungsweisenden Revisionsverfahren geurteilt, dass Radfahrer eine Mitschuld tragen, wenn sie dort nicht vorausschauend fahren und es deswegen zu einem Unfall kommt (Aktenzeichen VI ZR 171/07). Im konkreten Fall ist eine Frau ohne zu schauen vom angrenzenden Gehweg auf den Radweg getreten. Der Radfahrer hatte aber weder die Geschwindigkeit reduziert noch gebremst, obwohl er mit einer solchen Situation hätte rechnen müssen.

In diesem Fall hatte sich der Radfahrer selbst verletzt. Wäre in einer solchen Situation die Fußgängerin verletzt worden, muss sich der Radfahrer dem Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung stellen. „Dann befinden wir uns im Bereich der Strafverfolgung“, sagt der Fachanwalt für Verkehrsrecht Christian Janeczek. Laut § 229 des Strafgesetzbuches (StGB) steht auf fahrlässige Körperverletzung eine Geldstrafe – bei besonders schweren Fällen oder Wiederholungstätern sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren.

Was radelnde Kinder beachten müssen

Bis zu ihrem achten Lebensjahr müssen Kinder mit dem Fahrrad den Gehweg benutzen. Eine begleitende Aufsichtsperson darf ebenfalls mit dem Kind auf dem Gehweg fahren. Bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr ist Rad fahrenden Kindern die Nutzung des Gehwegs erlaubt. Wie schnell sie dabei fahren, ist nicht explizit geregelt.

Allerdings verweist der Verkehrsrechtler Christian Janeczek auf die Regeln, die auch für erwachsene Radfahrer auf einem gemeinsamen Rad- und Fußweg gelten: Sie müssen mit größtmöglicher Sorgfalt fahren – sind Fußgänger in Sicht, ist Schrittgeschwindigkeit geboten. Ansonsten darf durchaus zügiger gefahren werden.

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