Obacht in der Erntezeit

Breite und langsame Traktoren sind auf Landstraßen immer wieder unterwegs. Das sollten Autofahrer beachten.

 

08.11.2017

Vor allem im Herbst rollen riesige Traktoren mit überlangen Anhängern über die Straßen. Landwirte wollen ihre Ernte pünktlich einfahren und sind bei gutem Wetter rund um die Uhr im Einsatz. Bei Auto- und Motorradfahrern ist jetzt erhöhte Aufmerksamkeit gefragt – und vor allem Geduld.

Eben hatte man noch freie Fahrt. Doch plötzlich ist er da: der Traktor. Für Auto- und Motorradfahrer heißt es in beiden Fahrtrichtungen: Ruhe bewahren. „Kommt einem ein derart überbreites Fahrzeug entgegen, sollten Auto- und Motorradfahrer im Zweifel rechts an den Straßenrand fahren und warten, bis es vorbeigefahren ist“, sagt Vincenzo Lucà vom TÜV Süd in München.

Allzeit bremsbereit

Befinden sich Autofahrer und Motorradfahrer hinter einem Erntefahrzeug, sollten sie unbedingt ausreichend Abstand halten – und stets bremsbereit sein. Das gilt nicht nur bei landwirtschaftlichen Maschinen, sondern bei allen Fahrzeugen. Die einfachste Regel für den Sicherheitsabstand entspricht der Faustformel „halber Tacho“. Das bedeutet zum Beispiel: Bei einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde halten Fahrer einen Abstand von mindestens 25 Metern. Mit Blick auf Erntefahrzeuge ist der Sicherheitsabstand auch deshalb wichtig, weil schlecht gesicherte Fracht vom Traktor fallen könnte. 

Oft schneller als gedacht

Mit bis zu 40 km/h sind Erntefahrzeuge schneller als man oft denkt. Weil viele Auto- und Motorradfahrer die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs falsch einschätzen, ist das Unfallrisiko beim Überholen groß. „Im Zweifel sollte daher nicht überholt werden“, rät Lucà. Landwirtschaftliche Maschinen legen meist ohnehin keine allzu weiten Strecken zurück, da Felder und Gehöft in der Regel nahe beieinander liegen.

Jede Gefährdung vermeiden

2016 kam es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zu 13.504 Unfällen mit Personenschaden, die auf Fehler beim Überholen zurückgingen. Vor allem auf Landstraßen kommt es wegen misslungener Überholvorgänge immer wieder zu schweren Unfällen. Die Rechtslage ist eindeutig: Überholen darf nur, wer sicherstellt, dass während des gesamten Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs und jede Gefährdung ausgeschlossen sind.

„Im Zweifel sollte nicht überholt werden.“

Konkret bedeutet das: Will ein Autofahrer beispielsweise einen Lkw auf einer Landstraße überholen, der mit 70 km/h unterwegs ist, benötigt er dafür unter Ausschöpfung der maximal erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h eine Strecke von etwa 350 Metern – sofern er vor und nach dem Überholen die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände einhält. Weil der Pkw-Fahrer mit aufkommendem Gegenverkehr rechnen muss, sollte er mindestens die doppelte Strecke, also 700 Meter, einsehen können.

Unfälle mit Erntemaschinen: Selten aber folgenschwer

Kollisionen von Pkw oder Motorrädern mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sind nach Angaben der Unfallforschung der Versicherer (UDV) vergleichsweise selten. Kommt es jedoch zu einem Zusammenprall, sind die Auswirkungen umso gravierender. Erntefahrzeuge sind meist groß und massiv. Die Folge: Die Unfallbeteiligten erleiden mitunter lebensgefährliche Verletzungen.

Achtung beim Abbiegen

Besondere Aufmerksamkeit gilt auch, wenn Traktoren und andere Maschinen abbiegen. Manche Erntefahrzeuge holen beispielsweise nach links über die Fahrbahnmitte aus, wenn sie rechts abbiegen. Der Grund: Die Fahrzeuge haben einen größeren Kurvenradius. Dabei können Anbauteile wie etwa Pflüge mitschwenken. Besondere Achtsamkeit ist bei Mähdreschern oder Häckslern geboten.

„Sie werden über die Hinterachse gelenkt, weshalb das Heck beim Abbiegen stark ausschert“, erläutert Lucà. Deshalb gilt auch hier: Besser nicht überholen, sondern abwarten.

Erntefahrzeuge hinterlassen Schmutz

Fahren landwirtschaftliche Maschinen von Feldern auf die Straße, gelangen oft Erdklumpen, kleine Steine oder Staub auf den Asphalt. Kommt Regen hinzu, verwandelt sich die Straße in eine gefährliche Rutschbahn – auch bekannt als „Bauernglätte“. Daher sollten Autofahrer und Biker an Ein- und Ausfahrten bewirtschafteter Felder besonders achtsam sein. Verkehrsteilnehmer sollten auch daran denken, dass sie möglicherweise weder Brems- noch Schlusslicht oder Blinker des Erntefahrzeugs sehen können. Häufig verdecken Schlammspritzer oder überstehende Ladeteile die Beleuchtungsanlage. Ebenfalls müssen Autofahrer in der Nähe von Feldern mit schlechter Sicht rechnen. Je nach Windstärke und -richtung kann Staub über die Fahrbahn wehen. Deshalb: Das Tempo reduzieren und den Sichtverhältnissen anpassen.

Bilder: dpa, iStock