Wann „Rot“ eigentlich „Grün“ bedeutet

Bei diesen Ausnahmen dürfen bzw. müssen Fahrer Rotlicht ignorieren.

 

05.08.2019

Rot heißt Rot. Dann darf man nicht mehr fahren. Seit mehr als 100 Jahren gibt es Ampeln, die Verkehrsteilnehmer mit dieser eindeutigen Regel vor Unfällen im Straßenverkehr schützen. Doch es gibt vier seltene Fälle, in denen das rote Lichtsignal ignoriert werden darf oder soll.

1. Grünpfeil

Der erste Fall betrifft den Grünpfeil. Durch ihn kann die Wartezeit für Rechtsabbieger, sowohl im Auto, als auch auf dem Rad, bei bestimmten Verkehrssituationen verkürzt werden. Dargestellt wird er durch einen nach rechts gerichteten grünen Pfeil auf einem Zusatzschild rechts neben dem roten Licht der Ampel. Er gibt grundsätzlich die Fahrt nach rechts frei, auch wenn die Lichtsignale auf Rot stehen. Es darf aber trotzdem nicht einfach nach rechts abgebogen werden. Der Grünpfeil fungiert als eine Art Stopp-Schild. Heißt: Autofahrer und Radfahrer müssen an die Haltelinie heranrollen, dort zum Stehen kommen und sicherstellen, dass ein Behindern oder Gefährden anderer Verkehrsteilnehmer beim Abbiegen ausgeschlossen ist. Erst wenn es keinen Verkehr aus der freigegebenen Verkehrsrichtung gibt, darf die Rot zeigende Ampel überfahren werden. Seit 2020 gibt es für Radfahrer auch ein eigenes Grünpfeilschild, das nur für sie gilt. Übrigens: Entspricht die markierte Haltelinie nicht der Sichtlinie (also der Bereich, von dem aus die Straße komplett zu sehen ist, in die eingebogen wird), sollte an dieser Linie erneut abgestoppt werden, um sicher zu gehen, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer behindert oder gefährdet wird. Grundsätzlich besteht keine Pflicht, die Erlaubnis des Grünpfeils zu nutzen!

2. Ampel defekt

Nachts an einer Kreuzung, weit und breit kein anderes Fahrzeug in Sicht. Minutenlang steht die Ampel auf Rot. Ist sie möglicherweise defekt? Darf man in einer solchen Situation über Rot fahren? Ja, man kann. Allerdings nur, wenn man angemessen lange auf das Grünzeichen gewartet hat, erklärt Verkehrsrechtsanwalt Christian Janeczek. Die Wartezeit bei einem möglich Ampeldefekt könne aber nicht genau definiert werden. „Erst wenn ein verständiger Nutzer annehmen darf, dass ein Defekt vorliegt, darf vorsichtig gefahren werden“, so Janeczek. An einer kleinen Kreuzung könnten schon drei Minuten ausreichen. Bei einer Baustellenampel dauere die normale Rotlichtzeit durchaus auch mal fünf bis zehn Minuten. Wenn die Straße für eine Baustelle nur in einer Richtung über mehrere Kilometer befahrbar ist, müsse man noch mehr Geduld aufbringen: „An solchen Stellen kann die Wartezeit auch mal 20 Minuten betragen“, so Janeczek. Man müsse sich auf jeden Fall absichern, dass es sich wirklich um eine technische Panne der Ampel handelt. Es gelte demnach der extreme Misstrauensgrundsatz. Hat ein Fahrer ausreichend gewartet, muss er die Kreuzung so vorsichtig wie möglich passieren und darauf achten, dass der Weg frei ist.

3. Martinshorn und Blaulicht

Wenn ein Martinshorn zu hören beziehungsweise ein Blaulicht zu sehen ist, gilt es den Weg frei zu machen für Polizei oder Feuerwehr. Diese Regel ist auch an einer Kreuzung zu beachten, an der eine Ampel rotes Licht abstrahlt. Fahrzeugführer müssen dann langsam über die Haltelinie fahren, um den Weg für die Einsatzfahrzeuge so weit wie nötig frei zu machen. Dabei müssen sie jedoch sicherstellen, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.

4. Polizist regelt den Verkehr

Vorrang vor Ampelzeichen haben grundsätzlich die Weisungen eines Polizisten. Regelt er den Verkehr an einer Ampel, ist seinen Vorgaben Folge zu leisten – auch wenn die Ampel normal weiterarbeitet. Also muss auch in diesem Fall das Rotlicht überfahren werden, wenn der Verkehrspolizist die entsprechenden Anweisungen zum Weiterfahren gibt.

Bild: istock