Crashrisiko SMS

TU Braunschweig: Tippen am Steuer nimmt bedenkliche Ausmaße an.

 

05.07.2016

Weltweit beschäftigt sich eine Vielzahl von Studien mit dem Thema Ablenkung am Steuer, doch für Deutschland fehlten bis vor Kurzem entsprechende bundesweite Zahlen. Im Juni 2016 hat der Lehrstuhl Ingenieur- und Verkehrspsychologie der Technischen Universität Braunschweig eine Beobachtungsstudie mit dem Titel „Wie abgelenkt sind deutsche Fahrer“ veröffentlicht und kommt zu einem beunruhigenden Ergebnis.

Die Wissenschaftler um Prof. Dr. Mark Vollrath interessierten sich zum einen dafür, wie häufig und auf welche Art deutsche Autofahrer sich ablenken lassen. Zum anderen wollten sie wissen, ob die Fahrer ihr Verhalten den variierenden Gefahrensituationen anpassen. Ein besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Nutzung von Handys beziehungsweise Smartphones am Steuer. 

Observationen in drei deutschen Großstädten

In Braunschweig, Hannover und Berlin wurden 11.837 Fahrer beobachtet, wobei 2.366 dieser Fahrer an einer Ampel standen. Die Ergebnisse gelten für innerstädtischen Verkehr bei Tempo 50.

Insgesamt waren 13,2 Prozent der Fahrer abgelenkt. 2,2 Prozent telefonierten mit dem Handy am Ohr und 1,7 Prozent über eine Freisprechanlage. Ganze 4,5 Prozent der Beobachteten hingegen waren damit beschäftigt, auf ihr Smartphone zu schauen oder damit zu tippen. „Der Umgang mit dem Smartphone während der Fahrt hat einen bedenklichen Umfang angenommen“, kommentiert Studienleiter Mark Vollrath die Ergebnisse. „Den Leuten scheint nicht klar zu sein, wie gefährlich gerade das Tippen auf dem Handy ist.“ Dabei sei man nämlich ähnlich beeinträchtigt wie bei einer Fahrt mit 1,3 Promille im Blut, sagt der Verkehrsforscher.

Deutschland beim Tippen traurige Spitze

Im internationalen Vergleich, etwa mit Australien, England oder den USA, ist Deutschland damit traurige Spitze. Während die Werte fürs Telefonieren am Steuer ähnlich sind, sind jene fürs Tippen am Steuer in Deutschland deutlich höher, wobei beachtet werden muss, dass die Braunschweiger Studie die neueste ist.

Ihr Verhalten passten die Fahrer nur in geringem Maße der Verkehrssituation an. So hantierten immerhin 5,4 Prozent von ihnen im Stand mit dem Handy. 4,3 Prozent jedoch taten dies während der Fahrt. Beim Telefonieren ist die Hemmschwelle niedriger: Die Beobachteten sprachen etwas häufiger während der Fahrt als im Stand.

Beifahrer wirken positiv auf das Verhalten

„Beunruhigend ist, wie häufig ausgerechnet Fahranfänger mit ihrem ohnehin schon höheren Unfallrisiko hinterm Steuer abgelenkt sind“, sagt Mark Vollrath. Bei nur fünf Prozent der Senioren ließ sich eine Ablenkung beobachten, bei Fahranfängern hingegen waren es 15 Prozent.

Einen positiven Effekt schreibt die Studie Beifahrern zu. 15,1 Prozent der Abgelenkten fuhren ohne Beifahrer. Der Anteil jener, die in Begleitung abgelenkt fuhren, war mit 7,3 Prozent deutlich kleiner.

Wie hoch das tatsächliche ablenkungsbedingte Unfallrisiko ist, kann die Studie indes nicht abbilden. „Hierzu wären entsprechende Untersuchungen bei Unfällen dringend notwendig“, lautet das Fazit der Forscher.
 

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