Unfallursache zu geringer Sicherheitsabstand

Vor allem junge Erwachsene fahren zu dicht auf. Das zeigen Auswertungen des Statistischen Bundesamtes.

 

15.09.2020

Die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen 2019 zu Schaden gekommen sind, ist in Deutschland leicht zurückgegangen. 300.143 Unfälle mit Personenschaden hat die Polizei registriert – ein Minus von 2,8 Prozent gegenüber 2018. Die Analyse der Unfallursachen zeigt: Die allermeisten Ursachen (91,4 Prozent) lassen sich auf menschliches Versagen zurückführen. Einer der Hauptfehler: mangelnder Sicherheitsabstand. Er spielte bei 13,9 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden eine Rolle.

Fahranfänger sind besonders auffällig

Häufig halten junge Erwachsene keinen Sicherheitsabstand. 2019 war rund jeder sechste Fehler eines 18- bis 24-Jährigen bei Unfällen mit Personenschaden ein Abstandsfehler – 17 Prozent. Damit ist es die zweithäufigste Verfehlung junger Erwachsener bei Unfällen mit Verunglückten. Häufiger verzeichnet die Statistik bei ihnen nur das Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit als Unfallursache (19,6 Prozent). Bei Fahrzeugführern im Alter zwischen 25 und 34 Jahren war unzureichender Abstand sogar die häufigste Ursache bei Unfällen mit Personenschaden (17,5 Prozent).

Distanz schafft Sicherheit

Die meisten Autofahrer kennen die Abstandsregel „halber Tacho“. Das bedeutet: Sind Fahrer beispielsweise mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde unterwegs, halten sie einen Abstand von mindestens 25 Metern. Dadurch stellen Fahrer sicher, dass sie im Notfall angemessen reagieren können. Doch häufig halten sich Verkehrsteilnehmer nicht an diese Regel, etwa beim Wechsel der Fahrspur. Dabei heißt es in §4(1) der Straßenverkehrsordnung (StVO): „Der Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter diesem gehalten werden kann, wenn plötzlich gebremst wird.“

Bei Tempo 100 legt ein Fahrzeug 28 Meter pro Sekunde zurück

Viele Verkehrsteilnehmer überschätzen ihr Reaktionsvermögen: Rund 180 Millisekunden dauert es, bis ein durchschnittlicher Fahrer ein Hindernis erkennt und darauf reagiert. Hat er den Blick zuvor abgewendet oder war abgelenkt, vervielfacht sich diese Zeitspanne. Bis das Pedal durchgetreten ist und die Bremse ihre volle Wirkung entfaltet, vergeht noch eine halbe bis ganze Sekunde. Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h legt der Fahrer innerhalb dieser gesamten Reaktionszeit eine Fahrstrecke von etwa 28 Metern zurück. Dann erst beginnt der Bremsweg – der bei trockener Fahrbahn etwa 59 Meter lang ist. Insgesamt benötigt der Fahrer also etwa 87 Meter, um zum Stehen zu kommen.

Besonders innerorts führt mangelnder Abstand zu Unfällen

Viele Autofahrer glauben, dass der korrekte Sicherheitsabstand nur auf der Autobahn einzuhalten ist, bestenfalls noch auf der Landstraße. Dabei führt mangelnder Abstand gerade innerorts zu Unfällen. Das zeigt die Statistik: Die Polizei hat im vergangenen Jahr 28.720 Abstandsfehler bei Unfällen mit Personenschaden innerhalb von Ortschaften registriert. Auf Landstraßen waren es 12.058, auf Autobahnen 8.692.

Die StVO schreibt auch innerorts vor, stets ausreichend Abstand zu halten. Und: Es sind auch Seitenabstände einzuhalten. Beim Überholen von Radfahrern, Fußgängern und E-Scootern muss innerorts ein Seitenabstand von mindestens 1,5 Metern, außerorts von mindestens 2 Metern eingehalten werden. Wer dies nicht tut, muss mit 30 Euro Bußgeld rechnen. Wer ein Kind oder einen älteren Menschen auf dem Rad durch Überholen mit zu geringem Abstand gefährdet, wird mit einem Bußgeld von 80 Euro und einem Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei bestraft.

So viel Sicherheitsabstand müssen Sie mindestens einhalten

Regeln für den Sicherheitsabstand

Abstand (mindestens)

innerorts mit 50 km/h

15 m zum Vorausfahrenden

außerorts mit 100 km/h

50 m zum Vorausfahrenden

außerorts mit 130 km/h

65 m zum Vorausfahrenden

Überholen von Zweirädern

1,5 m seitlicher Abstand

Lkw außerorts

50 m zum Vorausfahrenden

Die Sicherheitsabstände sind bei schlechtem Wetter oder eingeschränkter Sicht entsprechend zu vergrößern. 

Immer ausreichend Abstand halten – so geht’s

Ausreichender Sicherheitsabstand ist auf Autobahnen und Landstraßen aufgrund der hohen Fahrgeschwindigkeiten besonders wichtig. Aber auch innerorts können Sie mit dem richtigen Sicherheitsabstand Unfälle vermeiden. Hier die wichtigsten Tipps:
 

● Rechnen Sie auf der Autobahn insbesondere bei dichtem Verkehr mit plötzlichen Bremsmanövern der vor Ihnen fahrenden Fahrzeuge. Wenn der erste in einer Kolonne nur geringfügig bremst, können Bremsmanöver nachfolgender Fahrer deutlich stärker sein und sich potenzieren. Vergrößern Sie daher gerade bei viel Verkehr den Sicherheitsabstand und lassen Sie sich nicht verleiten, dicht aufzufahren.

 

● Erhöhen Sie bei schlechter Sicht und schwierigen Straßen- und Witterungsverhältnissen den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen. Der Bremsweg ist bei schneebedeckter Fahrbahn beispielsweise bis zu viermal so lang wie auf trockener Straße.

 

● Überholen Sie Fahrräder und Leichtkrafträder innerorts mit einem Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern, außerorts mit 2 Metern. Können Sie aufgrund von Gegenverkehr oder parkenden Fahrzeugen einen solchen Sicherheitsabstand nicht gewährleisten: Warten Sie ab und überholen Sie erst, wenn es gefahrlos möglich ist. Vermeiden Sie Überholmanöver direkt vor einer roten Ampel.

 

● Denken Sie auf Autobahnen daran, dass Fahrer von Güterkraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen stets einen Sicherheitsabstand von 50 Metern zu anderen Fahrzeugen einhalten müssen. Beim Überholen dürfen Sie einen Lkw-Fahrer nicht behindern, sondern müssen ausreichend Abstand halten, bevor Sie wieder einscheren.

 

● Beachten Sie: Ein voll beladenes Fahrzeug, ein Anhänger oder nicht zur Witterung passende Reifen können den Bremsweg deutlich verlängern.

 

So werden Unfalldaten erhoben

Polizeibeamte tragen die Ursachen eines Verkehrsunfalls in ein sogenanntes Erhebungspapier ein. Dabei greifen sie auf ein seit 1975 geltendes Ursachenverzeichnis zurück. Wichtig: Die Beamten können pro Unfall zwei allgemeine Ursachen angeben, beispielsweise Straßenverhältnisse, Witterungseinflüsse oder Hindernisse. Ebenso können sie dem Hauptverursacher und einem weiteren Beteiligten jeweils bis zu drei personenbezogene Fehler zuschreiben. Dieses sogenannte personenbezogene Fehlverhalten umfasst beispielsweise das Missachten der Vorfahrt, Fahren mit unangepasster Geschwindigkeit und falsche Straßenbenutzung. Pro Unfall sind demnach bis zu acht Unfallursachen möglich. Das erklärt, warum die Statistik 2019 mehr personengebundene Verfehlungen von Beteiligten (368.149) als Unfälle mit Personenschaden (300.143) aufweist. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden erhält und erfasst alle Daten aus den Bundesländern und erstellt die bundesweite Verkehrs- und Unfallstatistik.

Weitere Informationen zum Thema Abstand im Straßenverkehr gibt es auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, des Deutschen Verkehrssicherheitsrats und der Deutschen Verkehrswacht.