Fahranfänger: Vorsicht auch nach der Probezeit
So meistern junge Fahrer brenzlige Situationen.
23.04.2019
Ob Kurz- oder Langstrecken, tagsüber oder nachts, bei Regen oder Sonnenschein: Routiniert kann erst fahren, wer verschiedenste Fahrsituationen schon erlebt und viele Kilometer zurückgelegt hat. Gerade in der Anfangszeit erfordert die Bedienung des Fahrzeugs ein Großteil der Aufmerksamkeit. Dieser Teil fehlt Fahranfängern bei der Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens. Erst wenn die Fahrzeugbeherrschung in einen gewissen Automatismus übergegangen ist, können die Fahrer ihre volle Aufmerksamkeit dem Verkehr widmen.
Immer cool bleiben
Jeder Autofahrer ist genervt, wenn Drängler im Rückspiegel auftauchen oder andere Fahrer aggressiv agieren. Besonders leicht lassen sich junge Fahrer verunsichern. Sie müssen lernen, gelassen zu bleiben und besonnen zu reagieren. Auch ist es wichtig, stets defensiv zu fahren und nicht selbst zu jenen Autofahrern zu gehören, die andere unter Druck setzen.
Viele Verkehrsteilnehmer, besonders die jungen, machen sich keine Gedanken über ihr Reaktionsvermögen oder überschätzen es. In der Folge fahren sie häufig zu dicht auf. Dabei benötigt ein Pkw beispielsweise über 85 Meter, wenn er aus Tempo 100 zum Stehen kommen soll – auf trockener Straße. Ist die Fahrbahn feucht oder glatt, verlängert sich der gesamte Anhalteweg deutlich.
Deshalb: Immer genug Abstand zum Vordermann halten. Dabei hilft außerorts die 2-Sekunden-Formel und innerorts die 1-Sekunden-Formel: Das vorausfahrende Fahrzeug fährt an einem markanten Punkt vorbei, den man selbst frühestens nach zwei Sekunden beziehungsweise einer Sekunde passiert.
Junge Fahrer sind am stärksten gefährdet
Junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren haben statistisch das größte Unfallrisiko im Straßenverkehr. Im Jahr 2017 sind 62.966 Menschen dieser Altersgruppe verunglückt, 394 starben dabei. 244 kamen in einem Pkw ums Leben, 91 auf einem Kraftrad.
Ablenkung wegen Handynutzung – das tödliche Risiko
Auch wenn Tempo und Abstand stimmen: Eine Gefahr dürfen junge Fahrer nicht unterschätzen – und zwar Ablenkung. Nach Schätzungen des Allianz Zentrums für Technik für das Jahr 2015 geht jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurück. (Quelle: www.allianzdeutschland.de)
Eine Auswertung von mehr als 1.000 schweren Verkehrsunfällen durch das baden-württembergische Innenministerium belegt, dass „Ablenkung infolge Handynutzung“ immer häufiger die Ursache tödlicher Verkehrsunfälle ist. Binnen drei Jahren wuchs der Anteil in Baden-Württemberg von 11,3 Prozent im Jahr 2015 auf 17,1 Prozent in 2017 an. Das ist jeder sechste Unfall mit Todesfolge in dem Bunde
Junge Erwachsene verlieren häufig die Kontrolle über ihren Wagen
● Überschätzen Sie nicht Ihr Können. Üben Sie so oft wie möglich. Empfehlenswert ist insbesondere die Teilnahme am Begleiteten Fahren ab 17 (BF17), um die Lernzeit zu verlängern und mehr Fahrpraxis zu erlangen.
● Besuchen Sie ein Fahrsicherheitstraining für Fahranfänger. Einige Versicherungen gewähren einen Rabatt.
● Das absolute Alkoholverbot gilt mindestens bis zum 21. Lebensjahr und generell in der Probezeit für alle Fahranfänger.
● Setzen Sie sich nicht in ein Auto mit einem alkoholisierten Fahrer. Merken Sie, dass jemand alkoholisiert ist, halten Sie ihn davon ab, zu fahren.
● Setzen Sie sich nur ausgeruht und fit ans Steuer eines Fahrzeugs.
● Lassen Sie sich nicht ablenken. Am besten das Handy auf lautlos stellen und in die Tasche stecken. Dann haben Sie nach der Fahrt schnell alle Informationen parat. Das Handy während der Fahrt in die Hand zu nehmen, ist verboten.
● Fahren Sie nur mit angelegtem Sicherheitsgurt. Achten Sie auch auf Ihre Mitfahrer.
● Verzichten Sie als Motorradfahrer niemals auf Ihre Schutzkleidung und den Helm. Setzen Sie als Radfahrer einen Fahrradhelm auf.
● Lassen Sie sich Zeit beim Fahren, setzen Sie sich nicht unter Druck und nehmen Sie Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer.
● Versuchen Sie, sich in andere Verkehrsteilnehmer hineinzuversetzen. Besonders bei dichtem Verkehr ist Toleranz und rücksichtsvolles Verhalten wichtig.
● Passen Sie generell die Geschwindigkeit an die Sicht-, Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse an – vor allem in Herbst und Winter.
● Rechnen Sie jederzeit mit Fehlern anderer Verkehrsteilnehmer.
● Vor und während des Abbiegens immer an den Schulterblick denken und auf Radfahrer und Fußgänger achten.
● Suchen Sie Augenkontakt mit Fußgängern, wenn diese die Straße überqueren wollen.
Wenn Imponieren zur Gefahr wird
Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, bestätigt das hohe Ablenkungsrisiko junger Fahrer durch Mobiltelefone: „Unsere Untersuchungen zeigen zwar klar, dass kein junger Fahrer sich ständig vom Handy ablenken lässt, sondern in Fahrsituationen, in denen er glaubt, alles im Griff zu haben. Und genau dann lauert die Gefahr: Plötzlich biegt ein Fahrzeug ein, der Vordermann bremst abrupt ab oder ein Kind läuft auf die Fahrbahn. Und dann ist es zu spät, um zu reagieren!“
Zudem nehme die Risikobereitschaft junger Männer zu, wenn sie sich messen wollen – mit „oft fatalen Folgen“, sagt Brockmann. Besonders riskant sei, wenn junge Autofahrer Mitfahrerinnen imponieren möchten. Dann, so der Experte weiter, „neigen selbst sonst vernünftige junge Erwachsene zu gefährlichem Fehlverhalten.“
Nach der Probezeit beginnt die nächste Probe
Während der Probezeit achten jungen Fahrer noch häufig darauf, sich verantwortungsvoll zu verhalten. Im Anschluss jedoch neigen sie zu Leichtsinn. Neben der verbotenen Handynutzung führen jugendliche Risikobereitschaft und unangepasste Geschwindigkeit zu vermeidbaren Gefahrensituationen, so die Erkenntnis von Unfallforschern.
Fahrerfahrung ist die beste Lebensversicherung
Wollen Eltern ihre Kinder unterstützen, sicher mit dem Auto unterwegs zu sein, sollten sie mit der Herausgabe der Fahrzeugschlüssel nicht zögerlich sein und ihnen die Fahrerlaubnis mit 17 im Rahmen des Begleiteten Fahrens (BF17) ermöglichen. Es gibt keinen besseren Weg, junge Leute von der Erfahrung erfahrener Verkehrsteilnehmer profitieren zu lassen. Vor allem verlängert BF17 auch die Lernzeit. So werden BF17-Teilnehmer in den während der umfangreichen Fahrausbildung erlernten Fähigkeiten noch routinierter. Darüber hinaus lernen sie mehr unterschiedliche Fahrsituationen kennen.
Und es kann durchaus Spaß machen, mit den Eltern unterwegs zu sein. Den Part der erfahrenen Begleitperson kann selbstverständlich auch ein Verwandter oder guter Bekannter übernehmen. Auf langen Strecken, etwa bei Fahrten in den Urlaub, wechseln sich Fahranfänger idealerweise mit versierten Fahrern ab. Vorsicht bei Fahrten ins Ausland: BF17 wird nur in Österreich anerkannt.
Helfer statt Oberlehrer
Eltern sollten als Begleitpersonen nicht in die Rolle der Oberlehrer schlüpfen. Hinweise auf lauernde Gefahren und typische Risiken sowie Tipps zur Fahrweise nimmt die Person hinter dem Lenkrad nur an, wenn sie nicht genervt ist. Ständiges Reden und Korrigieren ist kontraproduktiv. Aktives Korrigieren ist sogar ausdrücklich untersagt. Begleitpersonen sollen laut Fahrerlaubnis-Verordnung dem Fahrer „ausschließlich als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um ihm Sicherheit beim Führen des Kraftfahrzeugs zu vermitteln“. Stellt der junge Fahrer klar, dass er Ruhe braucht zur Konzentration, sollte sich die Begleitperson daran halten. Auch im Anschluss an die gemeinsame Fahrt lässt sich der Fahrstil oder ein bestimmtes Fahrmanöver genauer besprechen.
Erfahrungen mit verschiedenen Fahrzeugen sammeln
Häufig sind Fahranfänger mit älteren Pkw unterwegs. Etwa mit dem ausrangierten Modell der Eltern oder Großeltern oder einem günstigen älteren gebrauchtem. Dabei sollten junge Fahrer bedenken, dass in die Jahre gekommene Pkw besondere Anforderungen stellen; vor allem, wenn mehrere Personen an Bord sind.
„Ältere Kleinwagen, mit denen man normalerweise allein unterwegs ist, können mit vier Mitfahrern – je nach Wartungszustand des Fahrwerks – das gewohnte Fahrverhalten stark verändern“, sagt Thomas Gut, Unfallanalytiker bei der Sachverständigenorganisation Dekra. „Gerade in Kombination mit geringer Fahrpraxis kann das gefährlich werden.“
Doch auch bei aktuellen Fahrzeugmodellen müssen sich Fahranfänger langsam eingewöhnen, denn moderne Fahrzeuge beschleunigen schnell und sind gleichzeitig so leise, dass der Fahrer die Geschwindigkeit kaum wahrnimmt.
Insofern gilt: Tempolimits beachten und zudem die Geschwindigkeit immer an die äußeren Bedingungen (Straßenverlauf/-beschaffenheit, Wetter etc.) anpassen.
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