Soko Autoposer: Mit der Hamburger Polizei im Einsatz

Autoposer verursachen Staus und Lärm und gefährden die Verkehrssicherheit. „Runter vom Gas“ begleitet die Soko der Hamburger Polizei.

 

13.08.2018

Sie verursachen Lärm und Staus, gefährden sich und andere Verkehrsteilnehmer: Autoposer, die zumeist jungen Männer mit ihren aufgemotzten Fahrzeugen: sei es durch tiefergelegte Karosserien, fette Räder und markante Lackierungen sowie vor allem durch viel PS und ohrenbetäubende Motorsounds. Anders als die Tunerszene, wollen die Poser nur eines: auffallen. In vielen Städten geraten sie vermehrt ins Visier der Polizei, die mit Sonderkommissionen gegen die motorisierten Angeber vorgeht. So wie in Hamburg mit der Kontrollgruppe Autoposer.

Aufklärung ohne Erfolg

Mannheim hat vor gut zwei Jahren den Anfang gemacht. Anwohner und Geschäftsleute in der City beschwerten sich über den zunehmenden Lärm in den engen Straßen. Die Polizei versuchte es zunächst auf die sanfte Tour, verteilte symbolische „gelbe Karten“ mit der Aufschrift „Stop Posing“ an die Fahrer der getunten Autos – die Aktion blieb ziemlich wirkungslos. Dann gab es Verwarnungen, schließlich beschlagnahmte die Polizei erste Fahrzeuge – die Ermittlungsgruppe Poser nahm ihre Arbeit auf. Schnell zogen weitere Städte wie Berlin, Frankfurt, Köln und eben Hamburg mit ähnlichen Einheiten nach.

Auto-Poser im Blick: Die Soko der Hamburger Polizei

Autoposer meist nicht zu überhören – und zu übersehen

Die metalllic-farbene Limousine fällt Tobias Hänsch auf der sechsspurigen Ausfallstraße sofort auf. „Nicht zu überhören“, sagt er knapp, „und zu übersehen ist auch nicht, dass da getunt wurde. Da genügt ein Blick auf den Schalldämpfer.“ Genau das ist die Absicht des jungen Autofahrers: gehört und gesehen werden, Aufmerksamkeit erregen. Diesmal ist er mit seinem Imponiergehabe aber an den Falschen geraten: Hänsch ist Hauptkommissar bei der Polizei Hamburg und Chef der Kontrollgruppe Autoposer – und mit einem unauffälligen Zivilfahrzeug im Einsatz. 

Poser sind Selbstdarsteller, die solche PS-starken Boliden für ihr Selbstwertgefühl brauchen.

Das wichtigste ist nicht das Fahrzeug, sondern der Fahrer

„Bei den Leuten aus der legalen Tuning-Szene stehen die zum Teil liebevoll gepflegten und individualisierten Autos im Mittelpunkt. Die Besitzer achten zumeist penibel darauf, dass ihre Änderungen am Fahrzeug auch den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Bei den Autoposern sind es die Fahrer selbst, die im Mittelpunkt stehen und bewundert werden wollen.“ So beschreibt Rüdiger Born, Geschäftsführer des Verbands der niedergelassenen Verkehrspsychologen, die Unterschiede zwischen Tunern und Posern. „Poser sind Selbstdarsteller, die solche PS-starken Boliden für ihr Selbstwertgefühl brauchen, buchstäblich um jeden Preis. Sie benötigen möglichst viel Publikum und die damit verbundene Anerkennung, die sie in anderen Lebensbereichen meistens nicht erhalten. Häufig ist das Tuning illegal und viele Poser fallen auch durch überhöhte Geschwindigkeit oder sogar illegale Rennen auf.“ 

Die Poser könnten sich „mit vergleichsweise kleinem Aufwand wie die Stars der Straße“ fühlen und würden darin noch von den anderen aus der Szene bestärkt. „Hinzu kommt“, so Psychologe Born weiter, „das Gefühl der Leistungsfähigkeit, wenn sie auf das Gaspedal treten und den Motor aufheulen lassen, um ihre vermeintliche Überlegenheit zu zelebrieren – auch wenn das Ärger einbringt und viel Geld kosten kann. Hauptsache, man wird wahrgenommen.“

„Fahrzeugkontrolle, die Papiere bitte!“

Gut zwei Kilometer lassen Hänsch (35) und seine Kollegin Janina von Keßinger (37) den Poser weiterfahren, dann ist auf Höhe der Alster Schluss: Blaulicht durch das Schiebedach aufs Dach, Anhaltekelle raus. „Fahrzeugkontrolle, die Papiere bitte!“ Der hünenhafte Fahrer ist sichtlich überrascht. Und blass. Ja, er habe sein Auto technisch ein wenig aufgemotzt, aber nur drei Dinge, verrät der 27-jährige Lackierer und fügt hinzu: „Dieses Auto ist schon seit Jahren mein Hobby!“ Und ja: Er habe leider vergessen, die Umbauten in den Kfz-Schein eintragen zu lassen ...

Schon zehn Dezibel mehr verdoppeln die gefühlte Lautstärke

Soweit es möglich ist, nehmen Hänsch und seine Kollegin vor Ort die vergleichsweise normal motorisierte Stufenhecklimousine genauer unter die Lupe. Ergebnis: ein nachträglich eingebauter Fächerkrümmer und eine Abgasanlage, für die es keine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) gibt. Gleiches gilt für die veränderte Rad-Reifen-Kombination. Bei der anschließenden Lärmpegelmessung aus 50 Zentimetern Distanz zum Schalldämpfer messen die Polizisten statt der  84 Dezibel (dB) satte 111 dB. Maßgeblich dabei sind die in der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs eingetragenen Werte beziehungsweise, falls vorhanden, der Wert der Betriebserlaubnis für die nachträglich eingebaute Auspuffanlage. „Schlechte Nachricht“, so Kommissar Hänsch nach dieser ersten Bestandsaufnahme zum Fahrer der aufgefallenen Limousine. „Wir müssen Ihr Fahrzeug zur genauen Begutachtung sicherstellen, weil der Verdacht besteht, dass die Betriebserlaubnis erloschen ist und eine Gefährdungssituation besteht.“ 

1.000 Euro Strafe für illegales Tuning

Ein abruptes und teures Ende einer Spritztour durch die Hamburger Innenstadt – der Wagen wird zur sogenannten Verwahrstelle der Polizei geschleppt, auch bekannt als „Autoknast“. „Mit 900 bis 1.000 Euro müssen Sie etwa rechnen“, erklärt Tobias Hänsch dem Fahrer, der seinen Weg nun als Fußgänger fortsetzen muss. Zu den 90 Euro Bußgeld addieren sich die Kosten für das Abschleppen, den Gutachter und den Stellplatz im Autoknast. Obendrauf gibt’s einen Punkt im Fahreignungsregister (FAER), der Flensburger Verkehrssünderkartei.

Noch gefährlicher: illegale Straßenrennen

„Zum Repertoire der Poser-Szene gehören leider auch illegale Straßenrennen“, weiß Tobias Hänsch. Auch in dieser Nacht. Eine Ausfallstraße im Osten der Stadt. Vor einer Ampel stehen ein Cabrio und ein Luxus-Sportwagen. Als die Ampel auf Grün umspringt, geben beide Fahrer Vollgas. Das unauffällige Videofahrzeug der Kontrollgruppe hinter sich haben sie nicht registriert. Schon nach wenigen hundert Metern rasen die PS-Protze mit mehr als 150 Stundenkilometern über die sechsspurige Bundesstraße, bis die Polizisten sie stoppen. Beide Autos werden beschlagnahmt, die Führerscheine gleich dazu. Der 19-jährige Fahrer des Cabrios wird nach einem gescheiterten Fluchtversuch vorübergehend in Gewahrsam genommen. „Diese verbotenen Rennen sind ein Straftatbestand und damit ein Fall für den Staatsanwalt“, erklärt Hänsch. Bis zu zwei Jahre Gefängnis oder Geldstrafe, Entzug der Fahrerlaubnis und drei Punkte drohen als Strafe für solche illegalen Rennen. Kommen Personen zu Schaden, kommen Raser nicht mit einer Geldstrafe davon, sondern müssen mindestens sechs Monate oder länger ins Gefängnis.

Kontrollen vor allem am Wochenende und nachts

Die Kontrollgruppe in Hamburg wurde am 1. September 2017 gegründet und bestand zunächst aus neun Beamten, inzwischen sind es 13. Unter ihnen ein ehemaliger Kfz-Meister, zwei Mechatroniker und ein Tuningspezialist. Tobias Hänsch: „Diese Kollegen bringen bereits viel technisches Know-how mit, trotzdem werden wir alle in regelmäßigen Abständen zum Thema Tuning und nicht erlaubte Veränderungen am Fahrzeug geschult.“ Die Poser-Jäger sind regelmäßig mit drei Fahrzeugen unterwegs, bevorzugt an den Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden. Die Bilanz der Kontrollgruppe ist eindrucksvoll: Seit ihrem Start hat sie 2.084 Fahrzeuge überprüft. Bei 552 Autos war die Betriebserlaubnis erloschen, 245 von ihnen wurden sichergestellt. 

Unterschied legales und illegales Tuning

Grundsätzlich führen alle Änderungen am Fahrzeug mit möglichen Einfluss auf die Verkehrssicherheit oder wesentliche Umweltwerte zum Erlöschen der Betriebserlaubnis. Dazu gehören alle Veränderungen an Fahrwerk, Bremsen, Rädern, Motor und Abgasanlage.

Keinen Einfluss auf die Betriebserlaubnis haben Tuningkomponenten mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE). Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat empfiehlt daher, nur Teile mit ABE zu verwenden. So vermeiden Tuner teure Einzelabnahmen beim TÜV oder einer anderen Sachverständigenorganisation.

Generell müssen Tuningmaßnahmen in die Fahrzeugpapiere eingetragen werden. Wer ohne Eintragung fährt, riskiert im Schadensfall den Versicherungsschutz.

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Beamte der Kontrollgruppe Autoposer bei einer Verkehrskontrolle.
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Beamte der Kontrollgruppe Autoposer bei einer Verkehrskontrolle.

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Hauptkommissar Hänsch liegt neben dem Fahrzeug und überprüft den Unterboden.

Die Messung bestätigt den Verdacht. Mit knapp 105 dB ist das Fahrzeug deutlich lauter als erlaubt.
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Die Messung bestätigt den Verdacht. Mit knapp 105 dB ist das Fahrzeug deutlich lauter als erlaubt.

Ein Fahrzeug wird mithilfe eines Krans auf ein Abschleppfahrzeug geladen.
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Hänsch legt das Fahrzeug an Ort und Stelle still.

Star der Poser-Szene im Toleranzbereich

Zurück auf der Straße. Tobias Hänsch wird in der Innenstadt durch das Blubbern des Endschalldämpfers auf eine schwarze Sport-Limousine aufmerksam – mit rund 500 PS das Star-Modell in der Poser-Szene. Blaulicht, Kelle, Kontrolle. Am Steuer sitzt ein eher schmächtiger junger Mann, der vor einigen Wochen schon einmal ins Visier der Kontrollgruppe geraten war – ohne Folgen. Diesmal muss er einen Drogentest absolvieren, der fällt negativ aus. Auch bei der Lärmkontrolle bleibt die 120.000 Euro teure Luxuskarosse des 23-Jährigen im Toleranzbereich. Eine Verwarnung gibt es trotzdem, weil die Spurverbreiterung und eine Fahrwerksveränderung nicht in die Fahrzeugpapiere eingetragen sind. Das muss der Fahrer jetzt innerhalb von 14 Tagen nachholen. „Ich bin kein Poser, ich fahre in der Stadt zurückhaltend“, verteidigt sich der Inhaber eines Handyshops.

Kein Unrechtsgefühl

„Viele Poser haben überhaupt kein Unrechtsgefühl“, erklärt Tobias Hänsch. „Sie definieren sich über ihre PS-Boliden und genießen die Aufmerksamkeit, die sie mit ihren dröhnenden Motoren hervorrufen, sie zelebrieren ihre Auftritte förmlich. Vor kurzem hatten wir einen Poser, der doch tatsächlich argumentierte, er und sein Auto seien doch eine Touristenattraktion.“

Besonders dreist und einfach hatte ein 25-jähriger Fahrer sein 304 PS starkes US-Coupés manipuliert, das er kurz zuvor aus den USA mitgebracht hatte. „Erst als der Wagen durch den Abschleppkran angehoben wurde, konnte ich es sehen“, sagt Tobias Hänsch: „Mit einer Flex waren große Löcher in beide Abgasrohre geschnitten worden, um den Wagen lauter zu machen.“

Poserfahrt endet in Fußmarsch

Später am Abend am Hafenrand: Der Fahrer eines Mittelklasse-Coupés beschleunigt an einer Ampel mit laut dröhnendem Motor – sein Fehler. Kontrolle, die Geräuschmessung ergibt 106 statt der zulässigen eingetragenen 80 Dezibel. Außerdem sind die Rückleuchten, wie in der Szene üblich, mit einer Folie abgedunkelt, strahlen weniger Licht ab. Der 44-jährige Fahrer ist auffallend nervös, darum lässt Tobias Hänsch ihn einen Urintest absolvieren, um Drogenmissbrauch auszuschließen. Als der Fahrer erfährt, dass sein Wagen wegen der lauten Abgasanlage sichergestellt wird, schimpft er: „Sie können mich doch hier nicht mitten in der Nacht aussetzen!“ Die beiden Beamten erklären ihm ruhig, warum sie das können – und sogar müssen: „Für Ihr Auto sind Sie verantwortlich. Und in diesem Zustand gefährdet Ihr Fahrzeug die Verkehrssicherheit und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer.“ Immerhin, der Drogentest fällt negativ aus.

Fazit dieser Nacht: Sechs Beamte der Hamburger Kontrollgruppe ziehen sieben Pkw zur weiteren Begutachtung aus dem Verkehr. Bei Autos soll es übrigens nicht bleiben: „Demnächst werden wir uns verstärkt um laute Motorräder kümmern“, kündigt Tobias Hänsch an. So wird nicht nur die ungestörte Nachtruhe der Anwohner gewährleistet, sondern sicherlich auch vorbeugend der eine oder andere Unfall wegen Imponiergehabe und mangelndem Risiko- sowie Verantwortungsbewusstsein verhindert. 

Bilder: Julius Schrank