Unterwegs mit Rollator: Ein Trip mit Hindernissen
„Runter vom Gas“ begleitete eine Seniorin mit ihrem Rollator.
05.07.2019
Gisela Goetzke freut sich jeden Tag auf ihren kleinen Spaziergang. Bewegung ist wichtig, gerade in ihrem Alter, das weiß die 81-Jährige. Weil sie aber nicht mehr ganz so fit auf den Beinen ist, benötigt sie seit Anfang 2019 einen Rollator. „Damit fühle ich mich eigentlich sicher“, sagt sie. „Aber es gibt auch immer wieder Situationen, die mich und andere mit einem Rollator vor große Probleme stellen.“
„Wenn Autofahrer etwas langsamer fahren würden …“
Um zu zeigen, was sie meint, lässt sich Gisela Goetzke von „Runter vom Gas“ auf ihren täglichen Spaziergang begleiten. Auch, weil ihr das Motto aus der Seele spricht. „,Runter vom Gas‘ – darum geht es“, so die Rentnerin. „Wenn die Autofahrer etwas langsamer fahren und auch mal für uns bremsen würden, wäre schon viel gewonnen.“ So viel zum Grundsätzlichen – dann wird Gisela Goetzke konkret.
Seit März 2019 lebt sie in der Helene-Donner-Seniorenresidenz der DRK-Schwesternschaft Hamburg in Pinneberg (Schleswig-Holstein). Vor der Tür rollt der Verkehr über die viel befahrene Straße.
Gut: Gleich vor dem Eingang befindet sich eine Fußgängerampel, die die Bewohnerinnen und Bewohner der Residenz gern nutzen. Schlecht: „Die Grünphasen sind viel zu kurz“, kritisiert die alte Dame.
Ampel-Grünphasen sind oft zu kurz
Der Hintergrund: Menschen mit Rollator sind langsam unterwegs. Oft langsamer, als es anderen Verkehrsteilnehmer bewusst ist. Sie machen kleinere Schritte, sind oft unsicher. Jeder Bordstein, selbst wenn er abgesenkt ist, stellt ein Hindernis dar, vor allem für noch nicht geübte Rollator-Nutzer wie Gisela Goetzke (hier kann ein Rollatortraining sinnvoll sein – siehe Kasten).
Als die ältere Dame die Straße vor der Helene-Donner-Residenz überquert, hat sie es noch nicht ganz zur Mittelinsel geschafft, schon springt die Anlage auf Rot. Hier wartet die Seniorin nun auf das nächste Grün, während vor und hinter ihr Autos, Lastwagen und Busse vorbeidonnern – eine Situation, in der sich auch jüngere Menschen alles andere als wohlfühlen. Schließlich bewältigt Gisela Goetzke auch die zweite Hälfte des Übergangs – gerade so, bevor die Ampel wieder auf Rot umschaltet.
Von Kleidung bis Bremsen: So sind Sie mit dem Rollator sicher unterwegs
• Stellen Sie die Griffe so ein, dass Sie aufrecht und nah am Rollator stehen, die Arme sind leicht angewinkelt. Wenn Sie die Schultern hochziehen müssen, stimmt die Höhe nicht.
• Reflektoren am Rollator sorgen dafür, dass Sie bei Dunkelheit besser gesehen werden. Außerdem sollten Sie helle Kleidung und reflektierendes Material tragen, gegebenenfalls sogenannte Reflexbänder an der Jacke anbringen. Auch rutschfestes Schuhwerk ist wichtig.
• Lassen Sie regelmäßig die Funktionstüchtigkeit der Bremsen überprüfen.
• Achten Sie darauf, dass Sie den Korb am Rollator nicht überladen. Normalerweise ist er für max. fünf Kilogramm ausgelegt.
• Überschätzen Sie sich nicht. Der Rollator hilft Ihnen, Ihre Mobilität zu verbessern – denken Sie aber daran, dass Sie deutlich langsamer unterwegs sind als sie es vielleicht von früheren Jahren gewöhnt sind.
Bordstein: Mit Rollator nicht so einfach
Langsam gehen wir nun weiter auf dem Gehweg Richtung Innenstadt, wo sich ein Supermarkt, Apotheken, Drogerien und kleine Läden befinden., in denen Frau Goetzke manchmal Einkäufe erledigt. Was normale Fußgänger kaum bemerken: Hervorstehende Gehwegplatten, Erhebungen durch Baumwurzeln und andere Unebenheiten erschweren den Gang mit dem Rollator erheblich – ganz zu schweigen von Bordsteinen.
Für Rollator-Nutzer sind das Hindernisse, die nicht so leicht zu überwinden sind. Monika Peetzke, Betreuerin in der Helene-DonnerSeniorenresidenz, zeigt Gisela Goetzke, wie es geht: „Dicht an den Bordstein heranfahren, Bremsen betätigen und ein Hinterrad mit dem Fuß blockieren. Dann die Griffe herunterziehen, sodass sich die Vorderräder anheben. Bremsen lösen und als erstes die Vorderräder auf den Bordstein stellen. Anschließend den Rollator anheben, ein Stück nach vorn schieben und schließlich auch die Hinterräder auf den Bordstein hieven.“ Klar, dass das Zeit kostet. Zeit, in der die Senioren auf der Straße stehen.
Rollatortraining wichtig für Anfänger
Ganz einfach ist das Bewältigen von Bordsteinkanten am Anfang nicht. Es will gelernt und geübt werden, wie einige andere Techniken ebenfalls. Auch deshalb ist ein Rollatortraining für Anfänger sinnvoll. Besonders auch das Herabsteigen von einem hohen Bordstein und das Gehen mit einem Rollator auf abschüssigen Wegen muss geübt werden. Das beste Training nützt allerdings nichts, wenn andere Verkehrsteilnehmer es an Rücksicht mangeln lassen und zum Beispiel Park- und Halteverbote nicht beachten.
Gisela Goetzke führt uns zu einer Stelle, wo der schmale Gehweg häufig von geparkten Autos blockiert wird. Während andere Fußgänger sich noch irgendwie durchquetschen können, wird der Weg für die 81-Jährige zur Sackgasse. Endstation: „Letzten Sonntag war es wieder so“, erinnert sie sich. „Ich habe erst ein paar Minuten gewartet, aber als niemand kam und den Wagen wegfuhr, bin ich über die Straße daran vorbeigegangen. Das ist natürlich gefährlich, aber was sollte ich denn sonst tun?“
Ihr dringender Appell an alle Autofahrer: „Bitte beachten Sie die Halteverbote. Und bitte parken sie vor allem nicht auf Gehwegen.“
Zu kurze Grünphasen gefährden Senioren.
Das Überqueren einer Straße mit Rollator braucht Zeit. Rücksicht ist geboten.
Zugeparkte Gehwege erschweren den täglichen Spaziergang.
Rollatortraining: Übung macht den Meister
Ein Rollatortraining ist wichtig, um die neue Gehhilfe sicher nutzen zu können. Angeboten werden solche Übungen zum Beispiel in Senioreneinrichtungen und Sanitätshäusern.
Los geht es normalerweise mit einer kurzen theoretischen Einführung, dann folgt die Praxis. Dabei werden verschiedene Situationen geübt, darunter das Gehen auf unebenem Grund, die Überwindung von Bordsteinen, das Ein- und Aussteigen in Auto, Bus und Bahn sowie das Hinsetzen auf die Rollatorsitzfläche zum Verschnaufen. Welche Angebote es in Ihrer Nähe gibt, kann Ihnen meist auch der Arzt verraten, der Ihnen den Rollator verschrieben hat.
Riskante Situation mit Radfahrern
Es sind nicht nur Autofahrer, die Menschen mit Rollator im Straßenverkehr vor Probleme stellen. Auch Radfahrer verursachen gelegentlich riskante Situationen. Gisela Goetzke erlebt das manchmal, wenn sie auf einem kombinierten Rad/Gehweg einen engen Bereich passiert.
Da der Weg zudem etwas holperig und deshalb für sie schwierig zu begehen ist, braucht sie immer etwas länger, um vorbeizukommen – für manchen Radfahrer offenbar zu lange. „Es kommt immer wieder vor, dass die Radler ganz dicht an mir vorbeifahren“, erzählt Gisela Goetzke. „Ich bekomme dann jedes Mal einen Riesenschreck.“
Bitte nehmen Sie Rücksicht!
Das ist verständlich. Viele Menschen, die im Straßenverkehr einen Rollator benötigen, sind nicht nur unsicher zu Fuß, sondern haben oft weitere gesundheitliche Einschränkungen. Giesela Goetzke zum Beispiel hat Probleme mit den Augen. Dadurch ist ihr Sichtfeld etwas eingeschränkt, sie nimmt andere Verkehrsteilnehmer erst relativ spät 5 wahr. Andere Senioren haben ihre Beweglichkeit im Hals- und Nackenbereich eingebüßt und brauchen länger, um sich nach allen Richtungen umzusehen bzw. sie drehen sich mit dem gesamten Körper, um einen Überblick zu bekommen.
Als wir wieder zurück an der Seniorenresidenz sind, ist klar geworden: Menschen mit Rollator – in Deutschland etwa zwei Millionen – brauchen im Straßenverkehr vor allem eines: viel Rücksicht seitens der anderen Verkehrsteilnehmer. Auch wenn das mal ein paar Sekunden Zeit kostet. Denn niemand sollte vergessen: Wir werden alle mal älter...
Bilder: Klaus Becker